
Jahrtausende lang zerbrachen sich Menschen den Kopf über den Milchstraßenstreifen, welcher sich über den ganzen Himmel erstreckt. In der Neuzeit entdeckte Galileo Galiei, dass diese Milchstraße aus unzähligen Sternen besteht. Dennoch gelang es Astronomen bis zum 20. Jahrhundert nicht, erfolgreich ihre wahre Form und ihre Beschaffenheit zu enträtseln.
“Meine dritte Beobachtung bezieht sich auf die Beschaffenheit der Milchstraße (…). Ganz gleich, welchen ihrer Teile man mit dem Teleskop anvisiert, man findet eine riesige Zahl an Sternen, von welchen einige sehr groß und nicht zu übersehen sind; bereits die Zahl an kleinen Sternen ist absolut unermesslich”
Diese Worte wurden 1610 von einem Mann geschrieben, welcher mit seinem selbst konstruierten Teleskop unbekanntes Terrain studierte, welches nicht zu unserer Welt gehörte. Diese Leistung sicherte ihm einen Platz in der Geschichtsschreibung (Galileo Galilei).
Das Terrain, welches er beschrieb, ist im wahrsten Sinne des Wortes nicht aus dieser Welt, und das Dokument trägt den Titel “Sidereus Nuncius” (Der Sternenbote). Darin stellt der italienische Mathematiker und Astronom seine Beobachtungen der Jupitertrabanten, des Mondes der Erde und auch der Milchstraße vor. Denn bis dahin war deren Beschaffenheit ein Mysterium gewesen und demnach natürlich auch Gegenstand der Mythologie.
Der griechische Naturphilsoph Demokrit hatte bereits im 5. Jahrhundert v. Chr. behauptet, dass der im Himmel verstreut leuchtende Streifen aus unzähligen schwachen Sternen bestünde.
Schleifstein des Firmaments
Nachdem diese Entdeckung von Galileo Galilei gemacht worden war, sollten fast 150 Jahre vergehen, bevor jene Struktur im Himmel wieder Gegenstand wissenschaftlicher Forschung werden sollte. Thomas Wright aus der britischen Grafschaft Durham glaubte, dass Sterne in einer flachen Struktur, vergleichbar mit einem Schleifstein angeordnet seien, welche sich im ganzen All ausdehnte. Für ihn glich die Milchstraße nichts anderem, als dem Abbild eines Schleifsteins.
Der deutsche Philosoph Immanuel Kant war von dieser Idee fasziniert – und kam nahe an die Entdeckung der Wahrheit. In seinem Werk “Allgemeine Naturgeschichte und die Theorie des Himmels”, veröffentlicht im Jahr 1755, erklärte er die Milchstraße als eine ausgedehnte und aufgelockerte Schicht von Sternen. Die Sonne und die Erde seien laut ihm Teil dieser Schicht, jedoch nicht deren Mittelpunkt.
Abhängig von der Sichtachse, entlang der Ebene der Schicht oder vertikal zu dieser, würde man eine unterschiedliche Anzahl an Sternen sehen. Aber wie konnten Astronomen herausfinden, ob das wahrnehmbare Aussehen der Milchstraße ihre eigentliche räumliche Struktur abbildete?
Die am Ende des 18. Jahrhunderts von Wilhelm Friedrich Herschel erfassten statistischen Daten der Sterne versprachen eine Antwort: Herschel zeichnete die Koordinaten und die Leuchtkraft aller Sterne auf, welche er durch das Teleskop erfassen konnte.
Dennoch war dieses Unterfangen zum Scheitern verurteilt. Abgesehen von der mangelhaften Verlässlichkeit der Messinstrumente – denn obwohl es zum Beispiel möglich war, die offenkundige Helligkeit der Sterne zu ermitteln, war es unmöglich, ihre absolute Leuchtkraft und folglich ihre Entfernung zu ermitteln – war da noch ein grundlegendes Problem: die Milchstraße ist reich an interstellarer Materie, Gas und Staubwolken, die das Licht der Sterne absorbieren.
Das trübt den Blick auf den zentralen Bereich und macht es unmöglich, die übergeordnete Struktur zu sehen. Aus diesem Grund können Aufzeichnungen über die Sterne niemals das System als Ganzes erfassen, sondern nur den Bereich rund um die Sonne bis zu einem Radius von etwa 10.000 Lichtjahren. Der Durchbruch wurde erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts möglich, als Astronomen lernten, den Himmel mit Hilfe von Radioteleskopen mit anderen Augen zu sehen.
Ein Blick durch den Vorhang des Sternenstaubs
Wasserstoff ist das am häufigsten vorkommende Element in unserem Universums. Als Teil der interstellaren Materie, füllt neutraler Wasserstoff (H1) den Bereich zwischen den Sternen. Folglich existiert er auch in der Milchstraße. Das heißt, dass die Verteilung der Wolken des Wasserstoffgases die Kontur des ganzen Systems modellieren, vergleichbar mit der Art und Weise, in welcher Knochen den menschlichen Körper formen.
Nur – wie können diese Knochen, also das Korsett des Kosmos sichtbar gemacht werden? Eine Antwort bietet das Nano-Universum an: Im Grundzustand des Wasserstoffs sind die Laufrichtungen der Atomkerne und der Elektronen ungleich. Falls zwei Wasserstoffatome kollidieren, kann die Drehrichtung des Atomkerns und die des Elektrons umschlagen, sodass sie schlussendlich parallel zueinander ausgerichtet sind. Danach kehren sie nach einer gewissen Zeit zu ihrem antiparallelen Grundzustand zurück.
Dieser Prozess setzt Energie frei, welche als elektromagnetische Welle ausgestrahlt wird. Diese Spektrallinie liegt im Radiofrequenzbereich des elektromagnetischen Spektrums. Abgesehen von der extrem niedrigen Dichte der interstellaren Materie, kollidieren Atome regelmäßig und verursachen, dass die H1-Bereiche im Licht dieser Wasserstoffspektrallinie erglühen. Diese Strahlung durchdringt die Vorhänge des Sternenstaubs nahezu ungehindert und kann so von Radioteleskopen aufgenommen werden.
Dank diesem neuen Sichtfenster in die Galaxie konnten Astronomen die Spiralstruktur der Milchstraße erkennen. In den 1970er Jahren entdeckten Forscher jedoch, dass Wasserstoff allein nicht als Indikator der galaktischen Morphologie genügte, weil es beispielsweise in den Spiralarmen weniger konzentriert ist, als erwartet. Die Suche begann von Neuem.
Spiralarme in Bewegung
Als wichtigster Faktor zeigten sich die Wolken von interstellaren Molekülen, da sie Strahlung im Licht des Kohlenstoffmonoxids (CO) emittieren. Nun wurde es Schritt für Schritt möglich, das Abbild der Milchstraße zu verfeinern. Demzufolge ist die Galaxis (stammend vom griechischen Wort gala: Milch) ein gekrümmtes Rad mit einem Durchmesser von 100.000 Lichtjahren und einer Dicke von 5.000 Lichtjahren.
Der Mittelpunkt des Rades mit seinem schwarzen Loch ist umgeben von einer kugelförmigen Wölbung mit einer eingebetteten zigarrenförmigen Struktur, einer Art Stange. Etwa 15.000 Lichtjahre von der Mitte entfernt breitet sich ein Ring aus, der ebenfalls aus Sternenstaub und Gaswolken besteht, wie auch die Sterne selbst.
Die Galaxie ist von mehreren Spiralarmen geprägt. Die meisten von ihnen tragen die Namen der Sternenkonstellationen, in welchen wir sie beobachten: die Schütze- und Perseus-Arme, die Norma- und Scutum-Crux-Arme, die 3-Kiloparsec-Arme und der Cygnus (lat. Schwan)-Arm.
Unser Sonnensystem ist im Orionarm zu finden, 26.000 Lichtjahre vom Zentrum entfernt und nahezu auf der Hauptebene. Dieses System, welches an die 200 Milliarden Sonnen beheimatet, ist von einem kugelförmigen Bereich mit sehr dünnem Wasserstoffplasma beinhaltenden Lichtschein und tausenden von runden Sternenclustern umgeben.
Die ganze Galaxie rotiert, wobei Objekte nahe an der Mitte schneller rotieren, als jene die weiter davon entfernt liegen. Die Kurve dieser unterschiedlichen Rotation weist Unregelmäßigkeiten auf, welche nicht mit sichtbarer Masse allein hinreichend erklärt werden können. Es liegt auf der Hand, dass unsichtbare dunkle Materie eine Rolle spielt.
Astronomen stehen bereits einem neuen Problem gegenüber: Abgesehen von der Rotation lösen sich die Spiralarme nicht ab, sondern behalten ihre Form seit Milliarden von Jahren bei. Ein Erklärungsversuch dafür ist, dass Stoßwellen sich durch das ganze System ausbreiten und die Materie in den Spiralarmen wie bei einem Verkehrsstau auf der Autobahn komprimieren. Primär rätseln Wissenschaftler jedoch immer noch, was wohl diese Wellen verursachen mögen.
Bereitgestellt von: Max Planck Society [Hinweis: Materialien können für Inhalt und Länge bearbeitet werden.]