Stress verursacht frühzeitig graue Haare. Nun fanden Forscher der Universität Harvard den zugrunde liegenden Mechanismus heraus. Er ist eng mit unserem Nervensystem verbunden und es gibt, frei nach dem alten Sprichwort „Lass dir keine grauen Haare wachsen”, auch Möglichkeiten diesen Mechanismus zu unterbinden oder sogar rückgängig zu machen.

In einer Studie, die Ende Jänner 2020 in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde, entschlüsseln Forscher erstmals den Prozess, wie Stress zu grauen Haaren führt. Als Hauptakteur fanden sie das sympathische Nervensystem, das für reflexartige „Kampf- und Fluchtreaktion“ verantwortlich ist.
Bei Stresssituationen wird vermehrt das Stresshormon Noradrenalin ausgeschüttet, das daraufhin von pigment-produzierenden Stammzellen aufgenommen wird. Durch die erhöhte Noradrenalin-Konzentration werden in den Stammzellen der Haarfollikeln dauerhafte Schäden verursacht. Es können somit keine Pigmente mehr freigesetzt werden und die Haare werden grau.
“Akuter Stress, insbesondere die ´Kampf- oder Fluchtreaktion´, wird traditionell als vorteilhaft für das Überleben angesehen. Aber in diesem Fall führt akuter Stress zu einer dauerhaften Erschöpfung der Stammzellen”, sagt Bing Zhang, Hauptautorin der Studie.
Die Frage wie sich Stress im Detail auf den menschlichen Körper auswirkt und welche Mechanismen getriggert werden, sind Gegenstand zukünftiger Forschungen.
Ya-Chieh Hsu, Professorin für Stammzellen und Regenerationsbiologie in Harvard sagt dazu:
„Zu verstehen, wie sich unsere Gewebe unter Stress verändern, ist der erste entscheidende Schritt zu einer Behandlung, die die schädlichen Auswirkungen von Stress aufhalten oder umkehren kann. Auf diesem Gebiet müssen wir noch viel lernen”, so Ya-Chieh Hsu.
„Lassen Sie sich keine grauen Haare wachsen“
Eines der wichtigsten farbgebenden Pigmente, das in der Hornschicht der Haare eingelagert wird, ist Melanin. Mit zunehmendem Alter nimmt die Melanin-Produktion ab und die Haare ergrauen. Den Grund dafür sehen Forscher darin, dass die Aminosäure Tyrosin fehlt, die direkt an der Bildung von Haarpigmenten beteiligt ist. Bei der Haarbildung werden die fehlenden Pigmente durch winzige Luftbläschen ersetzt und graues Haar wächst nach. Dies ist ein natürlicher Prozess des Alterns. Ergrauen aufgrund von Stress kann hingegen vermieden oder rückgängig gemacht werden. Bei weitem nicht alle heutigen „Kampf- und Fluchtreflexe“, die im Alltag vom sympathischen Nervensystem durch Stress ausgelöst werden, bedeuten gleich eine Lebensgefahr.

Zurück zur ursprünglichen Haarfarbe
Daher die offensichtlichen Methoden vorweg: Unnötigen Stress vermeiden, versuchen in spontanen Stresssituationen die Ruhe zu bewahren und auf Ärger und unnötiges Sorgen machen verzichten. Ärger und Sorgen führen üblicherweise zu keiner Lösung, sondern im wahrsten Sinne des Wortes nur zu grauen Haaren.
Abgesehen von situationsbedingtem Stress, können auch ein ungesunder Lebensstil und schlechte Ernährung zu Zellstress im Körper führen und Gründe für vorzeitiges Ergrauen sein.
In diesem Fall kann vor allem eine pflanzlich und basisch basierte Ernährung mit viel Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten Abhilfe leisten. Sie enthalten viele Vitamine und einen hohen Mineralstoffgehalt. Weißmehlprodukte, übermäßiger Zuckerzusatz und Alkohol haben hingegen einen hohen Säuregehalt und führen zu Stressreaktionen im Körper.
Weitere Beschützer vor Stress im Körper und den daraus resultierenden grauen Haaren sind Antioxidantien. Diese chemischen Verbindungen fangen freie Radikale im Körper ab. Freie Radikale sind instabile Moleküle, die durch Mangel- oder Fehlernährung, längerfristige UV-Strahlung, extreme körperliche Arbeit, durch verschiedene Krankheiten, wie Entzündungen, Diabetes oder Lungenerkrankungen, sowie durch Medikamenteneinnahme, im Körper entstehen. Ihnen fehlt ein Elektron, das sie rücksichtslos von ursprünglich gesunden Körperzellen wegreißen und diese damit schädigen oder zerstören.
Lebensmittel, die besonders viele Antioxidantien enthalten, sind Blaubeeren, Brombeeren, Nüsse, Karotten, Avocados, Brokkoli, Meeresfrüchte oder Olivenöl.

Haare wachsen pro Monat etwa zwei Zentimeter, es dauert also etwas, bis das Haar vollständig seine Farbe zurückgewinnen kann.
Im Gegensatz dazu beschleunigen traumatische Ereignisse oder extreme Belastungssituationen das Ergrauen der Haare. Diese führen meist zu zusätzlich verstärktem Haarausfall und die nachwachsenden grauen Haare sprießen noch schneller nach. Dadurch kann man innerhalb kurzer Zeit ergrauen.
Erzählungen, wie die von Marie Antoinette, deren Haare vor ihrer Hinrichtung plötzlich über Nacht vollständig grau geworden sein sollen, konnten bisher wissenschaftlich noch nicht bewiesen werden.