
Mitten im Frost erblüht eine kleine weiße Blume mit einem Hauch rosa und einem gelben Innenleben, umgeben von einer geheimnisvollen Aura. Legenden über die Christrose erzählen von ihrer reinigenden, wie auch tödlichen Wirkungen.
“Schön bist du, Kind des Mondes….”
Eduard Mörike über die Christrose
Wenn sich die meisten Pflanzen in die Erde zurückziehen, erblüht die Christrose in ihrer vollen Bracht. Ihr lateinischer Name ist „Helleborus niger“, übersetzt „Nieswurz“. Man kennt sie auch unter Märzrose, Schneekannerl, Weihnachtsblume, Schneerose und Weihnachtsrose.
„Nieswurz“ deutet schon auf den Gebrauch der Pflanze hin. Sie wurde im Altertum zum „Freiniesen“, also zum Reinigen der Nasenschleimhäute verwendet. Heute findet man die getrockneten Blätter weiterhin im Schnupftabak und Niespulver.
Mythologie
Romeo und Julia
In ShakespearsTragödie verlangt Romeo vom Apotheker ein Gift mit den Worten:
„… von so schneller Wirkung, dass es sich in einem Augenblick durch alle Adern verbreite, und der Lebensüberdrüssige, der es einnimmt, so plötzlich und mit solcher Gewalt des Atemholens entladen werde, als das unaufhaltsame Pulver, sobald es sich entzündet, aus dem fatalen Bauch einer Kanone losbricht.” Ihm soll getrocknete pulverisierte Christrose gegeben worden sein.
Orakeln mit der Schneerose
Entdeckte der Bauer blühende Schneerosen vor dem Weihnachtsfest, bedeutete dies, dass er mit einem fruchtbaren Jahr rechnen durfte. Stellte man in der Weihnachtsnacht zwölf Christrosen in Wassergläser– wobei jede Pflanze für einen Monat stand – wurde damit das Wetter vorhergesagt. Wenn eine Blüte geschlossen blieb, war für diesen Monat schlechtes Wetter vorherbestimmt, während eine offene Blüte für gute Wetterbedingungen stand.
Zauberbrechendes Kraut
Im Märchen „Zwergnase“ von Wilhelm Hauff wird der Junge Jakob durch die Christrose, zuerst in ein Eichhörnchen und später in einen hässlichen Zwerg, verzaubert. Der Zauber kann erst durch die erneute Einnahme der Pflanze aufgehoben werden.
Ewige Jugend
Im Mittelalter sollen gestoßene Blütenblätter in Zaubersalben zur ewigen Jugend verholfen haben – und….
….Harry Potter verwendete zwei Tropfen Nieswurzsirup für den „Trunk des Friedens“. Das Gebräu soll gegen Ängste, Anspannung und Aufgeregtheit helfen.

Die Dosis macht das Gift
Zart, schön und giftig – Ob Wurzel, Stängel oder die Samen – die Winterrose ist eine giftige Pflanze. Daher wird geraten, nach Berührung der Pflanze, sich stets die Hände zu waschen und die Pflanze nicht in Reichweite von Kindern oder Haustieren aufzustellen.
Hippokrates soll die Christrose als abführende und harntreibende Arznei angewandt haben. Auch als therapeutische Maßnahme zur Heilung von Wahnsinn wurde sie verwendet.
Solon belagerte 600 v. Chr. Kirrha, eine Stadt in Griechenland. Um das Gebiet einzunehmen, verunreinigte Solon das Trinkwasser der Stadt, indem er Helleboruswurzeln in den Fluss werfen ließ. Daraufhin erkrankten die Bewohner unter anderem an Durchfall und die Stadt konnte schnell eingenommen werden.
Wissen von heute: Die Wurzeln enthalten das Kardio-Toxin Hellebrin. Dieses reizt die Schleimhäute und beeinflusst die Zellstruktur, sowie die Transportfähigkeit der roten Blutkörperchen. Heutige Herzmedikamente und Blutdrucksenker beinhalten weiterhin Bestandteile der Nieswurz. Eine Überdosierung führt zum Herzstillstand und Lähmung der Atemmuskulatur.
Erinnerung an göttliche Tugenden
In vielen Klostergärten wird die Christrose als Symbolpflanze gepflegt. Symbolpflanzen werden als Repräsentanten für menschliche Tugenden genommen. Beispielsweise steht die weiße Lilie (Lilium candidum) für Reinheit und Unschuld, Veilchen stehen für Demut und die Rosen für die Liebe zu Gott. Die Christrose blüht zur Geburt Christi. Ihr jungfräuliches Weiß repräsentiert die Hoffnung und ihr Erscheinen im Winter ihre Stärke.
Rosen der Tränen – Ein armer Hirtenjunge soll auf dem Weg nach Betlehem kein Geschenk dabei gehabt haben. Wegen der Wetterbedingungen beklagte er mit Tränen, dass es ihm nicht einmal gelingen könne Blumen zu bringen. Der Legende nach entsprangen überall dort wo seine Tränen den Boden berührten Christrosen, welche dieser zu pflücken begann und dem Jesuskind als Willkommensgeschenk überreichte.
Die Eiszeitreste
Wie kann es sein, dass die Christrose im Winter, umgeben von Eis und Kälte blüht? Manfred Geywitz vom Württembergischen Gärtnereiverband in Stuttgart kann dies erklären. Die Fähigkeit stamme aus der Eiszeit. Die Christrose könne den Druck ihrer Zellen absenken, wodurch eine osmotische Wirkung entsteht, die Wasser aus Blatt und Blüten in die Wurzel zurückzieht und so vor Erfrierungen schützt. Daher käme die robuste Ausdauer und die Fähigkeit bei bis zu minus 20 Grad standhaft zu blühen.