Studie aus Hamburg: Covid-19 verursacht häufig Thrombosen und Embolien – Bewegung besser als Quarantäne

Studie aus Hamburg: Covid-19 verursacht häufig Thrombosen und Embolien – Bewegung besser als Quarantäne

Regelmäßige Blutuntersuchungen könnten Thrombosen bei COVID-19 Patienten rechtzeitig feststellen. (Bild: iStock)

Forscher und Ärzte des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf sprachen über die ersten Ergebnisse der bisher umfangreichsten Autopsien von verstorbenen COVID-19 Patienten. Dabei scheint sich der Verdacht zu bestätigen, dass COVID-19 keine reine Lungenerkrankung, sondern eine systematische Gefäßerkrankung sei, die alle Organe betreffen kann. „Killer Virus“ ist es laut Professor Püschel, Direktor des Institutes für Rechtsmedizin, aber dennoch bei weitem keines. 

In einer Pressekonferenzam 08.05.2020 sprachen Professor Klaus Püschel, Direktor des Institutes für Rechtsmedizin, Professor Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin und Professor Jan Sperhake, Institut für Rechtsmedizin, über die Obduktionsergebnisse von zwölf COVID-19-Patienten. Die zwei Tage zuvor im Fachjournal Annals of internal medicine veröffentlichte Studie wurde von mehreren unabhängigen Gutachtern geprüft. 

Bei den Untersuchungen fanden die Forscher und Ärzte, in Kooperation mit mehreren Hamburger Kliniken, bei sieben von zwölf Patienten schwere Thrombosen. Die Patienten hätten vor der Infektion mit dem neuartigen Virus keine Anzeichen für eine Gefäßerkrankung gezeigt.

Bei einer Thrombose handelt es sich um eine Gefäßerkrankung oder Störung des Kreislaufsystems, bei der es durch gebildete Thromben (Blutgerinnsel) zur Verstopfung von Blutgefäßen kommt. Dies kann Blutgefäße im ganzen Körper betreffen und ist nicht auf ein bestimmtes Organ beschränkt. Löst sich so ein Thrombus (Embolie), ist es möglich, dass er in lebenswichtigen Organen Gefäße verschließt und somit je nach Lokalisation Lungen-, Herzinfarkt oder Schlaganfall verursachen kann. 

Vier der untersuchten Patienten waren direkt an einer Lungenembolie gestorben. Geschädigte Lungengefäße waren bei insgesamt acht Patienten erkennbar. Bei allen zwölf verstorbenen Patienten waren hohe Dosen des Virus in der Lunge nachweisbar. Zudem zeigten fünf, also etwas über 40 Prozent, auch hohe Mengen des Virus in Leber, Niere und Herz. 

Diese Erkenntnisse stimmten mit den Untersuchungen von Professor Frank Ruschitzka und seinem Team überein, die Ende April in dem Fachjournal „The Lancet“ veröffentlicht wurden. Auch diese Studie kam zu der Erkenntnis, dass COVID-19 keine reine Lungenerkrankung, sondern eine systemische Gefäßerkrankung sei.

COVID-19 möglicherweise durch blutverdünnende Medikamente nicht mehr so gefährlich

Aufgrund der Obduktionsergebnisse erwägen die Ärzte den Einsatz von blutverdünnenden Medikamenten bereits am Anfang einer COVID-19 Infektion. Dadurch will man das Entstehen eines Thrombus prophylaktisch verhindern.

„Diese wichtigen Hinweise werden wir in die Behandlung der Corona-Patienten übertragen und wägen sorgfältig ab, ob Patientinnen und Patienten primär mit einem Blutverdünnungsmittel behandelt werden könnten“, sagt Professor Stefan Kluge dazu. 

Bei Thrombosen kommt es zur Verstopfung von Blutgefäßen. (Bild: iStock)

Blutverdünnende Mittel als Therapie beinhalten jedoch auch Risiken. So muss man sie nach der Behandlung wieder vorsichtig absetzen, da sich ansonsten das Risiko für einen Schlaganfall erhöhen kann. Zudem muss die Dosierung für den jeweiligen Patienten sehr genau erfolgen.

Angeregt durch eigene Beobachtungen und die Ergebnisse aus Hamburg, startete Professor Nils Kucher, Direktor der Klinik für Angiologie im Universitätsspital Zürich, und sein Team eine Studie mit 1000 COVID-19 Patienten, die mit Enoxaparin, einem Standardmedikament für Blutverdünnung, behandelt werden sollen. 

“Die allerwichtigste Aufgabe ist jetzt herauszufinden, ob wir die Rate an Krankenhausaufenthalten und die hohe Sterblichkeit von Covid-19 mit einer einfachen Maßnahme unterbinden können”, so Professor Kucher im Tagesspiegel. “Es wäre möglich, dass das Coronavirus gar nicht mehr so gefährlich ist, wenn wir diese Thrombosen verhindern, das ist meine Hypothese.”

Diese Notstudie, wie sie Professor Kucher bezeichnet, für die nach Anfrage weder öffentliche Gelder noch Unterstützung von Pharmafirmen bereitgestellt wurden, soll in den nächsten Wochen erste Ergebnisse liefern.

„Quarantäne bei Lungenembolie genau das Falsche“

Professor Püschel weist in der Pressekonferenz darauf hin, dass bei Thrombosen und Embolien Quarantäne genau das Falsche sei. Eigentlich sollte man hinausgehen, sich bewegen und Sport betreiben, um Gefäßverschlüsse zu verhindern. Zudem sollten auch immer wieder Blutuntersuchungen stattfinden. In Quarantäne und Isolation zuhause sei dies aber nicht möglich. 

Auch Professor Kucher sieht darin ein Problem: Laut seinen Nachforschungen sterben die meisten COVID-19 Patienten zuhause, nicht im Krankenhaus. In der Schweiz sollen dies in bis zu 75 Prozent der Todesfälle der Fall gewesen sein. 

Hat sich eine Thrombose oder Embolie einmal manifestiert, kann dies schnell zum Tode führen, ähnlich wie bei einem Schlaganfall oder Herzinfarkt. “Meine Hypothese ist, dass viele gar nicht mehr dazu kommen, den Notruf zu starten, weil es ihnen plötzlich so schlecht geht”, sagt Kucher.

Professor Püschel: „Das ist kein Killer-Virus“

Im Rahmen der Pressekonferenz betonte Professor Püschel, dass die Sterberate dennoch zeige, dass das neuartige Coronavirus kein „Killer-Virus“ ist, aber eine besondere Verlaufsform als Pandemie zeigt. 

Grund für Angst sehe der Rechtsmediziner aber keine, im Gegenteil: 

„Angst isst die Seele auf“, sagt Professor Püschel. Dabei betont er, dass beispielsweise auch in Pflegeheimen, ein Großteil der Infizierten wieder gesund wird, obwohl hohes Alter als besonderes Risiko für einen fatalen COVID-19 Verlauf gilt. Noch weniger Sinn hat es seiner Meinung nach, dass Kinder zuhause bleiben müssen. 

Professor Püschel sagt: „Das beste Heilmittel ist unser Immunsystem. Letztendlich ist unser Immunsystem so gut, weil wir immer wieder Auseinandersetzungen mit verschiedenen Viren haben.“

Insgesamt hat das Forscherteam des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf 170 umfangreiche Autopsien an verstorbenen COVID-19 Patienten durchgeführt. Weitere Ergebnisse werden gerade ausgewertet und sollen bald veröffentlicht werden.

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