
Zu Gast bei Michael Fuchs. Der Künstler Michael Fuchs, Sohn des Malers Ernst Fuchs, ist einer der wenigen Kunstschaffenden in Österreich, der noch traditionelle Maltechniken meisterhaft beherrscht und das Portrait in das Zentrum seines Schaffens stellt. In seinem bezaubernden Atelier in Klosterneuburg gibt der Künstler exklusiv für Nspirement ein Interview, in dem er u.a. über seinen Zugang zur Kunst spricht und über die Wichtigkeit traditioneller Werte sowie den Draht nach oben für die Schaffung von Kunst.
VT: Herr Fuchs, Sie sind größtenteils in der USA aufgewachsen. Was war ihr Beweggrund für das Studium nach Wien zu kommen?
MF: Ich hab meinen Vater 1966 wieder gesehen, weil er in Los Angeles war für eine Ausstellung. Und dann haben wir ein Treffen geplant, dass ich ihn zu Weihnachten 1968 besuche und dann wieder 1969. Und 1970 beschloss ich hier bei meinem Vater Malerei zu lernen. Da habe ich gedacht ich komme auf ein Jahr, oder so. Das war 1970, und inzwischen sind es 49 Jahre.
VT: Hat das Studium in Wien Ihren Erwartungen entsprochen?
MF: Ja. Nagut, ich hatte in Wirklichkeit keine Erwartungen, aber ich denke es hat die Vorstellungen übertroffen. Ich hab sehr viele meiner zukünftigen Kollegen dort kennen gelernt, ich habe meine Frau dort kennen gelernt. Und ich habe schon einiges von Prof. Anton Lenden gelernt und dann weiterhin von meinem Vater. Und dann habe ich zusehends von den alten Meistern gelernt. Das waren meine Lehrmeister.
VT: Sie haben auch mal gesagt, dass man in Österreich in den Universitäten, und eigentlich generell weltweit, diese alten Maltechniken nicht mehr lernen kann. Was steckt da dahinter, was ist der Grund?
MF: Das (Anm.: diese Maltechniken) hab ich auch nicht auf der Akademie gelernt. Das hat total gefehlt.
VT: Und warum ist das so, dass dies nicht mehr gelehrt wird an den Universitäten?
MF: Ähm, es gibt eine sehr plausible Verschwörungstheorie, sozusagen, ja. Und dann gibt es einfach eine generelle Tendenz in der Erziehung, dass man die Freiheit des Individuums zerstört, in dem man ihm zu viele Regeln und zu viele technische Sachen vorlegt. Und ich glaube, es war eine Kombination. Es gibt einen Kulturkampf, das gibt es offensichtlich, das ist nicht nur eine Theorie. Und zwar im Zusammenhang mit dem natürlichen Rechtsempfinden des Menschen. Denn so wie man die Schönheit, die Gutheit und die Wahrheit sieht, so wird das Bewußtsein geprägt, ein bestimmtes Bewußtsein, dass sich entweder am Naturrecht orientiert oder am positivistischem Recht. Und dieses positivistische Recht ist der Willkür unterlegen. Und das widerspiegelt sich in der Kunst. Sie merken ja eine zusehende Gesetzlosigkeit in der Kunst, wenn sie so wollen. Und diese Gesetzlosigkeit ist nur der Ausdruck einer gewissen Gesetzlosigkeit in der Gesellschaft. Und nicht, dass wir jetzt lauter Verbrecher sind, das mein ich gar nicht, aber die lebensordnenden Dinge, die uns früher so heilig waren, brechen immer mehr und mehr zusammen. Man denke an die hohe Scheidungsrate, an die Vernachlässigung der Kinder- die Eltern haben teilweise keine Zeit mehr für ihre Kinder. Man denke auch an die Abtreibung, dass Menschenleben zerstört wird. All diese Dinge, das ist eine unterschwellige Gesetzlosigkeit, obwohl nach Außen alles so ordentlich aussieht, zumindest in Europa und in der westlich geprägten Welt. Und die Kunst ist einem völligen Chaos ausgeliefert worden, man sieht das an solchen berühmten Namen wie hier in Österreich, jedenfalls bekannt wie Hermann Nitsch. Hermann Nitsch stellt so wie Jackson Pollock zum Beispiel- ein berühmter amerikanische Künstler- eine völlige Auflösung aller Gesetze dar, die die Natur zusammen halten und auch die Malerei. Das heißt wiederum zurück zum Naturgesetz: die Kunst hat sich immer mehr und mehr von der Natur gelöst. Und daher auch von naturalistischen Darstellungen. Und dadurch ging auch der Sinn für das Schöne verloren, weil das Schöne – ein Wort, das nicht mal mehr in der Kunstrezension benutzt wird – das Schöne geht ja aus der Natur hervor. Also ein Ausdruck des Schöpfers, der die Schönheit ist. Dostojewski hat einmal gesagt: die Schönheit wird die Welt retten. Und er meinte das sehr wörtlich. Es gibt einen, der die Schönheit ist, und der heißt Gott. Den wir nicht begreifen ganz und gar, aber von dem wir doch eine sehr gute Ahnung haben, durch das was er geschaffen hat. Er ist ja der große Künstler. Wenn man sich von dem löst, lösst sich alles auf.

VT: Also durch die Lösung von den Gottheiten, dadurch dass man nicht mehr an sie glaubt, ist ein Kulturkampf entstanden, meinen Sie, oder? Also, dass man dadurch die Kultur nicht mehr so zeigen will. Können Sie das noch genauer erklären, wie Sie das meinen mit Kulturkampf?
MF: Also es gibt zum Beispiel mit Marxismus und Nationalsozialismus eindeutig eine Bewegung weg vom Glauben, und eine absichtliche Zerstörung des Glaubens, und dem Familienverband. Bei beiden Richtungen. Es ist ganz egal, wie weit rechts das geht, wie weit links das geht, die treffen sich dann in dem Kreis. Man fliegt so weit von Österreich weg bis Ost auf West trifft, man kann nicht weiter ohne wieder zurück zu kehren. Das ist lins und rechts. Das sind zwei Köpfe von einem Drachen sozusagen, ja. Und das gibt es, wir haben das ja erlebt im Nationalsozialismus, niemand kann sagen, es gibt keine Verschwörung gegen Gott oder gegen Mensch oder gegen Kunst, die gibt es offensichtlich. Es heißt zum Beispiel – ich habe ja Briefmarken für die Republik Österreich gemacht – das wollte ich dann auch für Deutschland machen. Ich hätte das machen können als österreichischer Staatsbürger, die haben mir zurück geschrieben, ein sehr netter Brief, die Aussage dessen war: Ihre Kunst ist zu klassisch. Wir richten uns an Bauhaus. Das heißt, es gibt Null Toleranz für etwas anderes. Das ist keine Theorie mehr, das ist Tatsache, dass das abgelehnt wird, weil das zu klassisch ist, ja.
VT: Sie haben dann auch 1980 begonnen Architektur zu studieren, obwohl sie als Maler schon recht erfolgreich waren. Was war da der Beweggrund für sie noch ein Studium zu beginnen und abzuschließen?
MF: Ja, ja. Das war ein bisschen …., das war eine schöne Zeit bei Gustav Peichl, er ist ein großartiger Mensch, ein sehr toleranter Mensch auch, ja. Ich habe das auf ein Wort meines Vaters hin gemacht. Da musste ich die Matura nachholen. Drei Jahre Latein, drei Jahre Mathematik. Das Latein war schön, Mathematik weniger. Aber ich betrachte das als verlorene Jahre meines Lebens, ich hab nie etwas gebaut. Oh ja, ich hab ein Carport gebaut (lacht). Das ist das Opus Magnus des Architekten Michael Fuchs. Ähm ja, ich glaube es war eine Verirrung. Allerdings, gewisse Dinge, gewisse Denkweisen, die man sich aneignen muss, um Architektur zu entwerfen, sozusagen Organisationswissen oder räumliches Denken, glaub ich, hab ich dort verfeinert. Und es hat teilweise auch Spaß gemacht. Heute bin ich auch Bildhauer und vielleicht hat das auch hinein gespielt. Also man kann nicht sagen, das war eine völlige Zeitverschwendung, es kommt mir halt nur so vor.
VT: Ich denke mir, durch jeden Umweg lernt man ja auch, was man eigentlich wirklich will. Man weiß dann erst wieder den richtigen Weg, der der eigene ist, mehr zu schätzen, oder?
MF: Ja, aber ich möchte das den jungen Zuhörern sagen: manchmal entdeckt man diese Dinge, die man wirklich tun will ein bisschen zu spät auch. Also man sollte auf der Hut sein. Ich habe zum Beispiel mit über 60 Jahren angefangen zu Bildhauern. Das ist viel viel viel zu spät. Ich kann nie wirklich ein bildhauerisches Werk herstellen. Ein Werk ist viel zu viel Arbeit. Ich hab die Begabung und die paar Sachen sind schön, aber den Zug hab ich verpasst, eindeutig. Mit 55 hab ich angefangen zu dichten. Das war nicht zu spät, und das Gedicht ist eine viel privatere, intimere Ausdrucksform. Man kann nicht sagen, dass man ein Dichter … gut, Dante war ein Dichter, ja, und Petrarca und Shakespear und Goethe. In dem Sinne bin ich das nicht, weil diese wahren Dichter, das waren auch Philosophen. Das waren zum Teil auch ausgebildete Historiker und Philologen, Historiker, Theologen, das bin ich alles nicht. Und dann muss man auch seine Limits kennen, ja. Zum Beispiel, ich weiß einiges über die Gesellschaft zu sagen, sogar ein bisschen über Kosmologie. Aber ich könnte nie in eine Debatte eintreten, weil mir ja als Disziplin das alles völlig fehlt. Ich merk das dann, wenn ich wirklich mit Theologen zusammen sitze. Ein methodisches Studium. Das versuch ich in der Kunst wieder einzuführen. Dass man Malerei nach einem System lernt und dass man allgemein gültige Gesetze der Malerei und der Kunst lernt. Und dann hat man die Freiheit – die will man ja doch nicht zerstören, die Freiheit des Individuums – aber dann kann man ja dieses Wissen- man sagt ja Wissen ist Macht, ich sage immer lieber: Wissen ist Glück (lacht).

VT: Sie malen ja sehr viele Portraits. Was ist Ihnen da besonders wichtig?
MF: Okay. Das ist eine wichtige Frage, weil wir kommen darauf zurück, was man die Ordnung des Seins nennt. Man nennt das in der Philosophie und in der Theologie die Ordnung des Seins. Und das fängt mit Gott an, geht über die großen Engeln, über die neun Engelchöre hinunter bis zu dem Menschen und dann hinunter zum Tier und zu Pflanzen und zur toten Materie. Und da steht der Mensch ziemlich hoch drauf in dieser Ordnung, als einer, der nach dem Ebenbild Gottes geschaffen wurde. Und dann noch dazu wurde Gott Mensch. Noch mehr hinterließ er uns ein Bild von sich. Auf dem turiner Grabtuch. Und das zeigt alles auf eine gewisse Präeminenz des Portraits, die aber auch schon vor Christus gewisse heidnische Völker erkannt haben, wie die Römer. Es gibt keine schöneren Portraits als römische Marmorbüsten. Das ist wirklich der Höhepunkt. Alles andere ist nachher eine Verfeinerung vielleicht, etwas anderes, aber kaum übertroffen. Das heißt, in den Völkern lebt schon dieses Wissen: wir sind göttlich, göttlichen Ursprungs. Und es gibt nichts Besseres um den göttlichen Ursprung eines Menschen zum Ausdruck zu bringen als ein Portrait von den Menschen zu malen. Dann gibt es noch dazu die Schönheit, die ich besonders stark bei der Frau empfinde. Das ist dann auch individuell verschieden. Michelangelo hat ja als Platoniker den ultimativen Audruck der Schönheit in der männlichen Figur gesehen. Das ist auch nicht falsch, das ist ganz richtig. Und ich sehe es hauptsächlich in der Gestalt der Frau. Auch nicht falsch. Aber Mann und Frau stehen zusammen und bilden die Menschheit. Und wenn wir wirklich Gottes Kinder sind, dann gibt es keinen höheren Audruck. Denn einen Engel kann ich ja nicht malen, der ist unsichtbar, der hat keinen Leib. Wenn ich einen Engel malen will, in der Verkündigung zum Beispiel, dann muss es ein Mensch mit Flügeln oder ein kristalliner Mensch sein, aber irgendwie muss ich zeigen, dass da eine Person dahinter steckt, ein Engel ist schon eine Person, aber nicht ein Mensch.

VT: Und wo haben Sie das dann gelernt? Sie haben ja gesagt, auf der Universität haben Sie diese traditionellen Techniken nicht wirklich gelernt?
MF: Ich habe sie teilweise von meinem Vater gelernt. Das hab ich alles nicht von Lenden gelernt. Lenden dachte wahrscheinlich, obwohl er das nie ausgesprochen hat: das ist der Michael Fuchs und sein Vater ist mein guter Freund Ernst, ich überlasse den beiden das und ich bringe schon mal etwas ein. Er hat mir schon gewisse Dinge gesagt, aber er hat mir keine Technik beigebracht. Und später musste ich, um weiter meine Technik zu bilden, die alten Meister des Barocks studieren, weil ich gesehen habe – ziemlich früh – dass ich weg gehe von der Art wie mein Vater malt. Ich male viel flächiger, ich male viel viel schneller. Man sieht den Duktus nicht so bei mir, weil der Duktus in dieser Nass-in-Nass-Malerei unter geht. Aber es ist eine andere Malerei und ich musste das anderswo lernen. Aber mein Sohn, der auch sehr begabt ist, hat bei mir gelernt und dann ist er nach Italien gegangen und hat einen anderen Meister dort gehabt, einen Amerikaner. Er hat Dinge gelernt dort, die ich nicht kannte und hat mir diese Dinge beigebracht. Also ich habe von meinem Vater, von den alten Meistern, von der Natur, von Lenden ein bisschen und von meinem Sohn gelernt.
VT: Sie haben ja sehr viele beeindruckende Gemälde hier ausgestellt. Welche liegen Ihnen besonders am Herzen und warum?
VT: Es gibt derzeit eigentlich- das war eigentlich immer so- drei Hauptthemen. Wobei die Gestalt der Frau überwiegt, hervorsticht. Und dann gibt es die Bäume von Arizona, und dann gibt es die Allegorie. Und dann gibt es meine paar wenigen Statuen, also bildhauerische Sachen und Kugelschreiber-Zeichnungen. Von jeder Gruppe gibt es jeweils ein paar Lieblingswerke. Bei den Frauen ist es tatsächlich so, dass meine Lieblingswerke von der Ausstrahlung der Frau abhängen. Sie sind ja alle mehr oder weniger sehr hübsche oder schöne Frauen, das sind junge Frauen, die sind ja meistens schön. Sie sind ja sehr schmeichelhaft gekleidet, Seide und Spitze, das lässt sich alles sehr schön malen. Aber welches Bild ich bevorzuge hängt eigentlich vom Gesicht ab. Das Thema Portrait Frau ist immer ein bisschen das gleiche Thema, aber es unterscheidet sich in Komposition, Farbgebung und Ausdruck des Gesichtes. Und auch in der Körpersprache. Ich tendiere dazu eine dynamische Körpersprache zu bevorzugen, wo eine gewisse Drehung ist. Man nennt das Kontrapost. Oder wo das Gesicht besonders viel Schönheit und Reinheit ausstrahlt. Dann gibt es etwas von mir, das 2014 anfängt. Ich hab angefangen Skizzenbücher mit Kugelschreiber-Zeichnungen zu füllen und hab dann davon ein Buch herausgegeben. Das ist eher wieder skurril. Da kommt wieder die Wiener Schule des fantastischen Realismus zurück. Ich war aber auch schon 62. Also es ist sehr viel gekommen in meinem – ich möchte nicht sagen, dass ich ein alter Mann bin, aber okay, ich bin schon 66 Jahre alt- aber ich möchte sagen, relativ spät im Leben. Die Sonette als Kunstform hab ich dann mit 55, 60 Jahren beherrscht. Das ist sehr spät, oder? Viele sind schon längst tot gewesen. Bach ist zum Beispiel, glaub ich, mit 64 gestorben.
VT: Ja aber schön, dass Sie das noch für sich entdeckt haben.
MF: Ja absolut. Das möchte ich auch mitgeben ein bisschen: Es ist nie zu spät. Hängt von der Disziplin ab. Definitiv, beim Balletttanz gibt es ein ´zu spät´. Oder für Geige lernen. Das muss man wirklich in jungen Jahren. Aber für viele dieser darstellenden Künste, da kann man sehr spät anfangen, ja.

VT: Auf ihrer Homepage gibt es einen einleitenden Spruch, den ich sehr interessant gefunden habe und sehr inspirierend. Sie schreiben: “Kunst ist das Spiegelbild unseres Daseins, unserer Liebe und unserer Ängste, unser Streben und unsere Hoffnung.” Dies sagt ja schon einiges über Ihren Zugang zur Kunst, zur Malerei als Ausdrucksmittel des Inneren aus. Was ist Ihnen besonders wichtig in Ihren Gemälden auszudrücken?
VT: Dieses Zitat hier drückt ja die Verbindung von Kunst und Leben aus. Das ist wichtig, das ist die Hauptsache. Das haben die Römer und die Griechen begriffen, auch die Japaner mit ihren wunderbaren Holzschnitten. Das haben die Menschen allgemein begriffen. Das ist ein menschliches Phänomen, Kunst. Ich sage es gibt nicht wirklich eine christliche Kunst, es gibt Kunst, die christliche Themen behandelt. Weil die Kunst ist wie eine Naturkraft in den Menschen. Ja. Vielleicht bestätigt die Kunst etwas, das Thomas von Aquin gesagt hat: dass die menschliche Seele von der Natur aus christlich ist, ja. Weil Gott Mensch geworden ist in Christus. Und durch Christus ist alles geschaffen worden. Johannnes Kapitel 1, Vers 1. Aber auf jeden Fall haben edle Völker – und die sind ja alle edel nach ihrer Art, und sie sind in gewisser Art auch alle primitiv. Die Römer hatten sehr primitive Praktiken, Kreuzigungen und so. Aber alle Völker haben das gespürt, da ist etwas Göttliches in uns und die Kunst drückt das aus. Das ist diese Lebensnähe, von der ich in diesem Zitat hier spreche. Wenn ich in einem Kunstwerk den Menschen nicht wieder entdecken kann, oder meine Idee von der Gottheit, dann ist das wertlos. Man sagt heute wertfrei. Wertfrei bedeutet für mich wertlos. Alles hat einen wert, nichts ist wertfrei. Und jetzt müssen wir urteilen: was für ein Wert das ist. Ist das ein Wert, der den Menschen runterzieht oder emporhebt?
VT: Ja sehr schön auf den Punkt gebracht. Im alten China sagte man ja schon, dass die Kunst den Menschen von den Gottheiten gegeben wurde, um eben diese göttliche Seite in den Menschen anzusprechen. Und durch die Kunst soll den Menschen eine Anleitung zum Besseren, zum Göttlicheren gegeben werden. Damit man diese Qualität auch erreichen kann, galt immer, dass man als Künstler selbst ein reines, tugendhaftes Leben als Voraussetzung führen soll . Welche Erfahrung haben Sie mit diesem Thema gemacht? Spielt das in Ihrer Kunst eine Rolle?
MF: Der Chinese hat das – oder die Chinesen haben das – ganz genau getroffen. Und da gibt es einen historischen Grund, warum die Chinesen das haben, das kann ich Ihnen auch sagen. Aber man sieht ja genau das was ich vorhin gesagt habe. Das Erkennen die Menschen. Diese Verantwortung des Künstlers, dass er ein reines Herz hat, ist offensichtlich wichtig und wurde von allen großen Zivilisationen von den Künstlern eingefordert. Sie müssen ein moralisches Leben führen oder danach Streben. Das entspricht wieder den Naturgesetzen. Schauen Sie, die Ordnungen der Natur, einfach die Ordnungen der Doppelhelix der DNS- irre. Gott hat das wirklich bis aufs letzte Molekül geordnet. Er weiß wo sich jedes Elektron im Orbital befindet. Das ist eine irre Ordnung. Die Ordnung, die Schönheit und die Sittlichkeit sind alles Begriffe des einen Göttlichen, sind Ausdruck des einen Göttlichen. Es gibt keinen Glauben ohne Sitte. Und dadurch, dass der Künstler und die Künstlerin, dadurch dass sie Zivilisation schaffen und gesellschaftsbildend wirken, haben sie eine ganz große Verantwortung.

VT: Viele Künstler heutzutage sehen das ja nicht mehr so, sie haben schon Beispiele gebracht. Denken Sie, gibt es da eine Möglichkeit, diese Werte auch wieder an die Universität zu bringen? Wie man sieht geht die Tendenz heutzutage ja eigentlich ganz woanders hin, wenn man sich die zeitgenössischen Gemälde anschaut.
MF: Ja, es gibt ja Bestrebungen, Sie kennen das. Zum Beispiel gibt es die Krippenvereine, großartig. Was Krippenbauer für den Aufbau der Zivilisation leisten, weil sie so viele Kunstwerke schaffen, nämlich wirklich sehr schöne Krippen. Dann gibt es die Trachtenvereine und die traditionsbewußten Katholiken, die wieder die alte Messe einfordern. Es gibt das und jenes und alles. Aber es wird nicht weiter kommen, wenn die Menschen als Gesellschaft, als Kommunität nicht begreifen, dass es nichts Gutes in der Welt gibt, wenn man sich nicht an den Autor des Guten hält. Die Pflanze braucht einfach das Wasser von oben, das Licht von oben und die Mineralien von unten. Und wenn man sich von dem loslöst, dann zerfällt alles. Pater Joseph Kentenich hat zum Beispiel gesagt: Abfall vom Glauben ist Zerfall. Wenn man sich von der Lebensquelle trennt, dann stirbt alles. Zwar leben die Menschen weiter, aber sie können nicht mehr eine gerechte Gesellschaft aufbauen, das wird dann immer mehr und mehr nicht möglich. Man hat das im 20. Jahrhundert und im 19. Jahrhundert gesehen. Die Gräueltaten des Kollonialismus und der amerikanische Bürgerkrieg und dann Krieg, Krieg, Krieg, Krieg, das ist ja eine Ökonomie geworden. Alle Kriege sind jetzt böse, es gibt kaum einen gerechten Krieg, also einen Verteidigungskrieg. Und die paar Leute, die sich verteidigen wollen, da sind ein paar die sich wirklich verteidigen. Aber die Kriege der letzten 100 Jahre sind keine Verteidigungskriege. Wir würden ja sagen, ein einfacher Tiroler Bauer, von der Sorte bin ich: da wütet der Teufel. Und weil der Mensch nicht an den Teufel glaubt, dass es ihn gibt, wundern sie sich woher das ganze Böse kommt (lacht).
VT: Sehr spannend. Sie haben mal gesagt, Herr Fuchs, dass sie den Verfall der Tradition, der Kultur an vier Gemälden beschreiben können. Können Sie uns das kurz schildern?
MF: Ja, ich habe einen kleinen Zettel ausgedruckt, einen Vortrag gemacht. Man sieht zuerst die Mona Lisa. Vollkommene Schönheit und Ordnung. Und auch geheimnisvoll. Was für eine Frau ist das? War das überhaupt eine Frau? Ja, und die Fragen, was bedeutet das Lächeln und so. Und dann das zweite Bild von Gauguin. Ein Portrait. Da sehen sie schon: ah, sie erkennen einen Menschen, aber da bricht die Ordnung schon auf. Es ist auch nicht böse. Es ist einfach so eine Ausdrucksweise, aber es ist schon aufgebrochen. Der Körper ist aufgebrochen in verschiedene Ebenen. Das nächste Bild sehen Sie von Arnulf Rainer, wo er ein Foto von sich mit schwarzer Kreide durchgestrichen hat. Da wird schon angefangen den Menschen zu verneinen und zu erniedrigen. Der Mensch ist da, aber jetzt wird er einfach durchgestrichen. Das nächste Bild von Nitsch sind nur die Striche, da ist die menschliche Gestalt weggegangen und nur diese Striche, die Arnulf Rainer auf seinem Foto gegeben hat, stehen für sich allein. Sie sehen da einen Prozess der Desintegrierung, des Zerfalls, die Bewegung ins Nichts, die Verneinung von allem, was diese Mona Lisa darstellt. Und nicht, dass jetzt diese Künstler das bewußt gemacht haben, oder diesen Werdegang überhaupt gesehen haben. Ich nehme nur diese vier Bilder als Beispiel für eine Entwicklung, die uns von einer Kunst von Bernini, Palladio, von Christopher Wren, von Turner bis hierher gebracht haben. Wobei es noch immer großartige Künstler gibt, aber die werden ja nicht irgendwie gezeigt. Selbst ein Ernst Fuchs, der wirklich bekannt und berühmt und wirklich ein sehr eindrucksvolles Werk hinterlassen hat, hat die Würdigung nicht bekommen, die Nitsch bekommen hat. Und das, was Nitsch macht, das ist ein Elend, das hat nichts mit Kunst zu tun. Und alle kneifen irgendwo dann und haben nicht den Mut zu sagen: der Kaiser ist doch nackt. Und das ist nicht einmal ein schöner Kaiser. Wenn einer Adonis wäre, dann könnte man klatschen dass er nackt ist, ja, dann haben wir Schönheit vor uns. Nein, nicht einmal das, der Kaiser ist nackt und er ist auch noch dazu hässlich (lacht).

VT: Vielen Dank.