
Bärtierchen sind weniger als einen Millimeter klein und sehen tapsig aus. Man darf sich aber von ihrem Äußeren nicht täuschen lassen, denn in Wirklichkeit sind sie hart im Nehmen: Sie überleben kochenendes Wasser, flüssiges Helium bei minus 272 Grad, hohen Druck, radioaktive Strahlung oder einen Ausflug ins Weltall ohne Schutzanzug. Was steckt hinter dem Geheimnis ihrer „Unzerstörbarkeit“?
Der wissenschaftliche Name für die Bärtierchen oder Wasserbären, die im Jahr 1773 von Forschern entdeckt wurden, lautet Tardigrada, was so viel bedeutet wie „Langsamschreiter“ und eine Anspielung auf die Fortbewegungsart mit den kurzen Füßchen der Tiere ist. Heute weiß man, dass diese Lebewesen mindestens seit dem Kambrium (also vor 541 Millionen Jahren) existieren und ihre Widerstandsfähigkeit, die aller anderen Lebewesen, die die Menscheit bis heute entdeckt hat, bei weitem übertrifft.
Sie können in den höchsten Bergen des Himalayas, bis zu den heißesten Wüsten leben und 30 Jahre ohne Wasser auskommen, sowie zumindest zehn Tage im Weltraum, wie ein Versuch von europäischen Wissenschaftlern im Jahr 2007 gezeigt hat. Sie halten einem Druck von 6000 bar stand, was ungefähr sechsmal so hoch ist, wie der Druck am Grund des Meeres und würden auch die radioaktive Strahlung einer Atomkatastrophe überstehen.
Was macht diese kleinen Lebewesen so robust?
Das erste Geheimnis der Bärtierchen ist die Fähigkeit zur „Kryptobiose“. In diesem Zustand ziehen sie alle Gliedmaßen ein und nehmen eine kugelige Form an, in der sie bis auf 3 % ihre gesamte Körperflüssigkeit verlieren. Dadurch wird ihr Metabolismus auf unglaubliche 0,01 % reduziert. In diesem Zustand können sie jahrelang aushalten und auf günstigere Lebensbedingungen warten. Wenn sie dann wieder mit Wasser in Berührung kommen, nehmen sie es schwammähnlich auf und ihre Körperfunktionen kehren innerhalb von 30 Minuten vollständig zurück.
Dies erklärt warum ihnen irdische trockene, heiße und kalte Umgebungen nichts anhaben können, aber wie schaffen sie es sogar im Weltraum zu überleben?

Untersuchungen von 2017 zeigen, dass Bärtierchen über ein bis dato unbekanntes Gen verfügen, das bisher in keinem anderen Lebewesen der Welt gefunden werden konnte. Dieses Gen bildet ein Protein, das von den Entdeckern “Damage supressor“- Protein, kurz „Dsup“ genannt wurde. Es ist in der Lage, die DNA, Proteine und Membranen zu schützen, während sich die Tierchen im Zustand der Kryptobiose befinden. Wie dies genau funktioniert ist noch ungeklärt. Genauso, wie die Frage nach der Herkunft dieses einzigartigen Gencodes. Zudem weist das Dsup-Protein auch keinerlei Ähnlichkeit mit bisher bekannten Proteinen oder Proteinmustern auf.
„Das ist unseres Wissens nach das erste DNA-assoziierte Protein, das nachgewiesenermaßen das Erbgut schützen kann und sogar Zellkulturen vor Strahlenschäden schützt“, schlussfolgern Hashimoto und seine Kollegen in ihrer Veröffentlichung in der renommierten Fachzeitschrift Nature. Sie vermuten, dass die Gene der Bärtierchen Grundlagen für neue Therapien und zukünftige Präventationsmethoden gegen Strahlung und andere Faktoren sein könnten. Das Dsup-Protein ist jedoch nur eines der vielen neuentdeckten Proteine des Bärtierchens. Für den Großteil der gefundenen Gene muss noch deren Funktion entschlüsselt werden und was die Proteine, die sie bilden, bewirken.
“Wir kratzen gerade einmal an der Oberfläche der Biochemie und den molekolaren Mechanismen, mit denen sich diese Tiere ihrer Umgebung widersetzen,“ sagt Sandra McInnes, eine Forscherin, die sich mit Bärtierchen beschäftigt, der British Antarctic Survey in einem Interview mit Live Science.
Alves Batista, Professor an der Oxford Universität, ist der Meinung: „Bärtierchen sind die unzerstörbarsten Organismen, die wir auf der Erde haben“. Er hält es aber für wahrscheinlich, dass es im Universum noch andere, weitaus widerstandsfähigere Lebewesen gibt. Bis die Menschheit diese entdeckt, bleiben die auf der ganzen Welt im Moos, Süßwasser oder Meerwasser beheimateten Bärtierchen, die uns bekannten Rekordhalter an Widerstandsfähigkeit.