Im Fluss der Lebensenergie – Das Pulsieren unter der Oberfläche

Im Fluss der Lebensenergie – Das Pulsieren unter der Oberfläche

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Meridiane sind Energieleitbahnen, die im gesamten Körper verteilt sind. In ihnen fließt laut Ansicht der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) die Lebensenergie (Qi). Sie kommen im Körper häufiger vor als die Blut- und Lymphgefäße. Jede traditionelle chinesische Therapiemethode beruht auf dem Meridiansystem. Ein „Energiestau“ oder eine Blockade der Meridiane zeigt sich anfangs durch leichte Krankheitssymptome und Funktionsstörungen, später manifestieren sich dadurch  ausgeprägte Krankheiten.

Der ursprüngliche chinesische Begriff Jing Mai 經脈 wird heute als „Leitbahnen, Meridiane, Kanäle“ übersetzt, heißt jedoch wörtlich „Die pulsierenden Blutgefäße unter der Körperoberfläche“. In der Struktur der Schriftzeichen sind mehrere bekannte Bestandteile der modernen Anatomie enthalten, wie: die Blutgefäße im engeren Sinne (Xue Mai 血脈), das zentrale Nervensystem also das Gehirn (Nao 腦),das Rückenmark inkl. Spinalkanal (Sui 髓),die übrigen Nervenbahnen und periphere Nerven (Shen Jing Dao 神經道)sowie Sehnen und Muskeln Jin 筋 (Ji Rou) (肌肉).

Meridiane – Verbindungen zu unseren Organen, Körperfunktionen und zur Psyche

Jeder Meridian wird einem Funktionskreis zugeordnet. Dabei verbinden sich die  Energieleitbahnen  mit Organen, Körperfunktionen oder sogar mit der Psyche. Die Schulmedizin erkennt ähnliche Verzweigungen im Körper beispielsweise bei den Wirbelkörpern, bei denen jeder einzelne mit einem Organ zusammenhängt.

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Die Energie (QI 氣) von der in der TCM gesprochen wird, ist nicht mit dem Begriff der Relativitätstheorie, wobei Energie gleich Masse mal Lichtgeschwindigkeit zum Quadrat ist, übereinstimmend. Die Herangehensweise der TCM ist dabei eine umfassendere. 

„Das, woraus der Mensch entstanden ist, sind die beiden Qi des Yin und des Yang. Das Yin-Qi bringt seine Knochen und sein Fleisch hervor, das Yang-Qi sein Shen神 (Geist, Bewusstsein, Anmerkung der Redaktion). Solange er lebt, sind Yin- und Yang-Qi in guter Verfassung, weil Knochen und Fleisch stark sind und das Shen intensiv ist. Ersteres verleiht es ihm körperliche Kraft, letzteres gibt ihm das Bewusstsein.“ 

(Wang Ch‘ung in der östlichen Han-Dynastie (25–220 n.Chr.))

Die zwölf Hauptmeridiane

Die zwölf Hauptkanäle verbinden die verschiedenen Bereiche durch ihr Energiebahnengeflecht, welches kreuz und quer im Körper liegt. Auf den äußeren Ästen der Meridiane liegen die Akupressur- und Akupunkturpunkte, welche in der TCM behandelt t werden, um Blockaden und Engstellen zu lösen. Schmerzen sind  Warnzeichen des Körpers, die aufzeigen dass das  Qi nicht ausreichend fließen kann. Bei anhaltender Unterversorgung durch Qi können in weiterer Folge Organschäden auftreten.

Außerordentliche Meridiane

Zusätzlich zu den zwölf Hauptmeridianen kennt die TCM auch noch weitere acht Außerordentliche Meridiane (Qi Jing Ba Mai, Wundermeridiane). Jedoch haben nur die Meridiane Du Mai (wörtlich übersetzt: Gouverneur) und  Ren Mai (wörtlich übersetzt: Konzeptionsgefäß) eigene Akupunkturpunkte. Die anderen Außerordentlichen Meridiane nutzen die Punkte der zwölf Hauptmeridiane.

Die Außerordentlichen Meridiane sind mit der Niere und der Blase verbunden und haben ihren Ursprung im Beckenraum oder an den Beinen. 

Yin- und Yang-Meridiane

Yin-Meridiane verlaufen jeweils an der Innenseite des Körpers von den Zehen zum Bauch und vom Bauch zu den Fingern. Yang-Meridiane hingegen verlaufen von den Fingern zum Gesicht und vom Gesicht zu den Zehen, und befinden sich zusätzlich auf der Außenseite des Körpers. Die Hauptmeridiane laufen paarig, sprich auf der linken und rechten Körperhälfte. Ausgenommen ist der Dickdarmmeridian, dieser wechselt auf Höhe des  Gesichts die Körperseite.

Akupunktur- und Akupressurpunkte

(Bild: iStock)

Akupunkturstellen sind topografisch festgesetzte Stellen auf der Körperoberfläche. Das chinesische Wort “Xue Wei“ (Xue heißt Höhle) jedoch verrät, dass diese zu einem unterirdischen Gang bzw. einem unterirdischen Organ führen. Daher wäre die Bezeichnung „Löcher“ oder „Gruben“ sowie lateinisch als Foramina passender. Durch sie wird die Nadel-oder Moxawirkung über Höhlengänge von der Körperoberfläche ins Innere geleitet.  

Der kaiserliche Arzt Qi Bo sagte zum Herrscher Huang Di: «Der ungebildete Mediziner betrachtet seine Patienten nur von außen. Der bessere Arzt erkennt das Shen eines Kranken und damit den ganzen Hintergrund der Krankheit. Primitive Heiler stechen gewöhnlich nur Nadeln an den Gelenken, der bessere Arzt versucht, vor der Behandlung den Kranken als Ganzes zu erfassen, das heißt sein Shen und die Reserven seiner Organ-funktionen zu ergründen

(1.Kapitel, Die neun Nadel und die zwölf Ursprungs-Foramina 九鍼十二原, des Grundbuches der chinesischen Heilkunde und Nadel-Moxa-Therapie, Huang-Di Nei Jing Ling-Shu)

Verlauf der Meridiane

An einem Meridian können viele Akupunktur- und Akupressurpunkte liegen. Daher kann nicht gesagt werden, dass zum Beispiel der Akupunkturpunkt des Dickdarm an einer bestimmten Stelle ruht. Im Gegenteil, der Akupunkturpunkt lässt sich erst durch die Symptomatik entlang eines Meridian ausfindig machen. Am Beispiel des Dickdarmmeridian wird die Komplexität gezeigt:

Dickdarmmeridian

Beginn: daumenseitige Nagelfalz des Zeigefingers beidseits

Verlauf: über den Handrücken, die Außenseite des Arms, über die Schulter, dann teilt sich der Meridian in zwei Äste. Einer geht ins Innere über die Lunge und Zwerchfell bis hin zum Dickdarm, der andere bleibt an der Oberfläche und fährt den Hals hinauf über die Lippe bis zur Nase. 

Ende: Nase

Akupressurpunkte je nach Symptomatik:

Indikation und Wirkung: bei Brustenge, Fieber, Rachenschmerzen, Zahnschmerzen, Schock, Atembeschwerden, Beklemmung 

Akupressurpunkt: am radialen Nagelwinkel des Zeigefingers

Indikation und Wirkung: zur Beruhigung des Geistes, Halsschmerzen, Gesichtslähmungen und Nasen-Nebenhöhlenbeschwerden 

Akupressurpunkt: am distalen Punkt des Grundgelenkes des radialen Zeigefingers (DI 2)

Indikation und Wirkung: bei Brustenge, Mandelentzündung, Zahnschmerzen und Nasen-Nebenhöhlen 

Akupressurpunkt: am proximalen Zeigefingergelenk an der radialen Mittelhandseite (DI 3)

Indikation und Wirkung: bei Schmerzen (Kopf und Gesicht) – Halsschmerzen, Husten, grippale Infekte, Nackensteifheit, Schwindel, Kopfschmerzen, Migräne schmerzende Gesichtsnerven oder Augenproblemen

Akupressurpunkt: am Yuan Quellpunkt (DI 4) – Dieser befindet sich in der Mitte des zweiten Mittelhandknochen, auf der höchsten Stelle des Muskels, wenn Daumen und Zeigefinder aufeinanderdrücken.

Indikation und Wirkung: bei Armschmerzen, Nackensteifheit, schmerzenden Schulterproblemen oder zum Stärken der Sehnen 

Akupressurpunkt: am Schultertransportpunkt (DI 15) – Dieser liegt unterhalb des Vorsprunges des Schlüsselbeins an der Schulter. Es ist eine Mulde tastbar wenn der Arm seitlich angehoben wird.

Indikation und Wirkung: bei Bluthochdruck, Heiserkeit, Menstruationsproblemen, Hauterkrankungen, Durchfall, Fieber, oder zum Blut regulieren und zur Stärkung des Immunsystems 

Akupressurpunkt: am Punkt „Gewundener Teich“ (DI 11) – Dieser ist bei gebeugten Arm am lateralen Ende der Ellbogenfalte.

Weitere Methoden um Blockaden und Störungen der Meridiane  auszugleichen sind neben Akupressur und Akupunktur in der traditionellen Heillehre auch  Kräutertherapien, Moxatherapien, Massagen oder eine Anpassung der Ernährung. 

Quellen:

https://www.karger.com/Article/Pdf/316661https://www.renmai.at/index.php?m=meridiane&style=0&page=28https://www.karger.com/Article/PDF/281925,
Heilung durch die Wirbelsäule: http://www.dorn-therapie-methode.de/german%20html/dornmethode_wirbel_organ_verbindungen.html

Lesen Sie auch: Ein kleines Teilchen im großem Ganzen – Die Fünf Elemente

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