
Die Lage in Hongkong spitzt sich von Tag zu Tag zu und Drohungen aus Peking werden immer lauter. Die Proteste gelten als die umfangreichsten seit der gewaltsamen und blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung in Peking (Tian’anmen-Massaker) am 4. Juni 1989. In China wird tatsächlich die Angst vor einem zweiten „Tiananmen-Massaker“ immer stärker spürbar und ein blutiges Vorgehen gegen Demonstranten wird befürchtet. Die Folgen für das Land möchte man sich nicht ausmalen. Wenn weder die Demonstranten noch die Politik zu Kompromissen bereit sind, wo wird das alles enden? Hongkong, quo vadis?
Die Finanzmetropole Hongkong wird seit mittlerweile mehr als zwei Monaten von regierungskritischen Demonstrationen erschüttert. Zuletzt kam es zudem vermehrt zu gewaltsamen Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften.
Was ist der Grund für die Proteste?
Die ehemalige britische Kronkolonie Hongkong wurde 1997 zurück an China gegeben und wird seitdem unter dem Prinzip „ein Land, zwei Systeme“ als eigenes Territorium autonom regiert. Dasselbe Prinzip möchte China auch im Umgang mit Taiwan etablieren. Die Insel wird von China als abtrünnige Provinz angesehen. Taiwan selbst sieht sich als unabhängig von China.

Anders als die Menschen in der kommunistischen Volksrepublik China,genießen die Bürger Hongkongs das Recht auf freie Meinungsäußerung, sowie Presse- und Versammlungsfreiheit. Diese Rechte sehen viele Hongkonger nun in Gefahr.
Die Demonstrationen begannen ursprünglich als Widerstand gegen ein neues Auslieferungsabkommen mit der Volksrepublik und richteten sich vor allem an die Peking nahe Regierungschefin Carrie Lam. Mittlerweile ist es aber zu etwas viel Größerem geworden. Für viele Demonstranten geht es um nichts weniger als die Zukunft Hongkongs. Sie fordern mehr Unabhängigkeit von China.
Carrie Lam selbst wurde 2017 zur Regierungschefin von Hongkong gewählt. Die Wahl war kein Paradebeispiel freier Wahlen: Nicht die rund sieben Millionen Einwohner dürfen ihre Stimme abgeben, sondern ein ausgewähltes Wahlkomitee, dessen 1194 Mitglieder aus der Elitegesellschaft stammen. Laut theguardian zählen dazu alle 70 Mitglieder der Legislative der Stadt und einige Bezirkspolitiker, Geschäftsgruppen, Gewerkschaften, Popstars, Priester und Professoren. Viele von denen profitieren von einer guten Beziehung zum Festland. Lam war damals die Wunschkandidatin der Kommunistischen Partei Chinas.
Hongkonger befürchten Zerschlagung ihrer Freiheiten und Grundrechte

Viele Hongkonger fürchten einen Verlust der grundlegenden Rechte, die Hongkong ausmachen: unzensierte Presse, ein Versammlungsrecht und freie Meinungsäußerung. In Festlandchina können die Menschen unter der Führung der kommunistischen Partei Chinas bis jetzt nur von diesen Rechten träumen. Hongkong befürchtet, dass China durch seine starke Einwirkung auf Politiker in Hongkong nun diese Rechte zerschlagen könnte.
Die Mehrheit Hongkongs möchte die Proteste friedlich führen, zumal es leider auch schon einige gewalttätige Proteste gab.
Seit kurzem wurden die Proteste auf den Flughafen ausgeweitet, jedoch steht hier die Friedlichkeit des Protestes im Zentrum. Von einem Berichterstatter von spiegel.de wird vor Ort vom Ausnahmezustand am Flughafen berichtet: „Ruf keine Slogans. Beachte die Absperrungen. Lächle und sei hilfsbereit, wenn Touristen dich ansprechen.“, so die Liste zum friedlichen Demonstrieren, welche in einer Chatgruppe geteilt wurde, die zum Protest am Hongkonger Flughafen aufruft. „Wenn wir uns jetzt nicht wehren, dann wird die nächste Generation nicht mehr das Recht haben, sich zu wehren“, sagt Donald, ein 15jähriger Hongkonger, der am Mahnmal aus Menschen am Hongkonger Flughafen teilnimmt. Auch Donald folgt den Kundgebungen in friedlicher Form und folgt eilig den Anweisungen des Ordnungspersonals, dass die Demonstrationen nur hinter der gelben Linie stattfinden sollen, und macht den Passagieren Platz.
Es ist kaum vorzustellen, dass sich die mächtige kommunistische Partei Chinas von friedlichen Demonstranten wie Donald in Unruhe versetzen lässt. Doch gerade dies scheint derzeit der Fall zu sein.
Laut Zeitungen in China – welche ein Sprachrohr der Regierung sind – spricht Pekings Führung sogar von „terrorartigen Aktivitäten“ der Demonstranten und sieht Kundgebungen, wie die am Flughafen Hongkongs,zunehmend als eine Bedrohung fürihren Anspruch auf Hongkong an. Peking wird auch in seiner Sprache immer gewaltsamer.
Chinas Ton wird schärfer: „Diejenigen, die mit Feuer spielen, werden von ihm verschlungen“
Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam warnte bereits, dass sich Hongkong „einem gefährlichen Abgrund“ nähere. Die Reaktionen seitens Festlandchina spitzten sich in letzter Zeit auch gewaltig zu: Die chinesische Regierung verlautete tatsächlich öffentlich, dass „diejenigen, die mit Feuer spielen, von ihm verschlungen werden“. Außerdem schickte China Militärfahrzeuge zu angeblich „groß angelegten Übungen“ in die Stadt Shenzhen, welche sich nahe der Grenze zu Hongkong befindet. Zuvor hatte das chinesische Militär ein Video veröffentlicht, welches eine Übung zeigte, in der bewaffnete Soldaten gegen Demonstranten vorgingen.
Geht der chinesischen Führung die Geduld aus oder droht sie nur?
Für Peking sei die Drohung mit einem Militäreinsatz ein Mittel „um die Demonstranten abzuschrecken”, sagte der Experte Ben Bland vom Lowy-Institut in Sydney, wie das Online-Medium gmx.at schreibt. Aus seiner Sicht wäre eine solche mitlitärische Intervention sehr riskant. Ebenso würde es für Peking einen beträchtlichen Ansehensverlust bedeuten und es drohe wirtschaftliche Stagnation. Ausschließen kann jedoch niemand so eine Vorgehensweise.
Der Hongkonger Sinologe Willy Lam hält ein verdecktes Vorgehen chinesischer Truppen in Hongkong für möglich, da ein Militäreinsatz sehr riskant wäre. Es könne auch sein, dass Peking Einheiten einschleusen könnte, die sich wie Hongkonger Polizisten kleiden würden, anstatt offen eigene Soldaten einmarschieren zu lassen.
Die Welt schaut auf Hongkong
Der Flughafen Hongkongs ist ein bedeutender und hoch frequentierter internationaler Drehkreuzflughafen. Somit werden durch die Proteste vor Ort die erschütternden Nachrichten der Demonstranten in die Welt hinausgetragen.

„Die demokratischen Staaten des Westens sollten diesen Ruf hören, denn auch sie könnten vom Kampf der Demokratie gegen das totalitäre China betroffen sein. Schon jetzt wird der Konflikt zwischen Hongkong- und Festlandchinesen auch im Ausland ausgetragen.“, so Benedikt Voigt im Tagesspiegel (online). „Hongkong ist nicht länger sicher“, stand auf den Schildern zahlreicher schwarz gekleideter Demonstranten auf dem Internationalen Flughafen Hongkongs. Sogar „Die Hongkonger Polizei tötet uns“ war auf einem Plakat zu lesen.
„China muss verdeutlicht werden, dass ein Eingreifen der Volksbefreiungsarmee in Hongkong internationale politische und wirtschaftliche Konsequenzen haben würde“, fordert Benedikt Voigt weiter. Aussagen wie diese werden in den westlichen Medien immer lauter.
Politiker weltweit sprechen sich für die Bewahrung der Freiheiten Hongkongs aus.
Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel warnte China davor, die Rechte der Bürger Hongkongs anzuzweifeln. Es müsse angesichts der immer größer werdenden Spannungen jetzt „alles daran gesetzt werden, Gewalt zu vermeiden und die Möglichkeiten einer Lösung im Rahmen des Dialogs zu finden“. Außenminister Heiko Maas fordert auch, dass die Einhaltung des Rechtes der freien Meinungsäußerung beibehalten werden: „Wir machen uns große Sorgen über die Entwicklungen in Hongkong. Die Dinge eskalieren immer mehr, man kann nur appellieren, dass sich alle Seiten zurücknehmen. Wichtig wird für uns allerdings auch bleiben, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht beeinträchtigt wird.“
Die Bundesregierung plädiere für einen Dialog zwischen den Konfliktparteien, der auf den Hongkonger Gesetzen basiere, welche die Grundsätze der Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit sicherten.

Jede weitere Eskalation hätte „auch Auswirkungen auf die Wirtschaft in Zeiten ohnehin bestehender Turbulenzen“, sorgt sich der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Jürgen Hardt, laut gmx.at. Man müsse Wege finden, um die Lage zu entschärfen. „Zugleich verdeutlichen die Entwicklungen auch, dass die EU noch intensiver als bisher daran arbeiten muss, eine gemeinsame und kohärente Strategie im Umgang mit China zu entwickeln —nicht nur mit Blick auf Hongkong, sondern auch auf die Seidenstraßeninitiative und das chinesische Engagement in Drittstaaten“, so Hardt weiter.
Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian forderte ebenfalls zu einem friedlichen Dialog auf und betonte die Wichtigkeit des Grundsatzes von „ein Land, zwei Systeme“, welcher den Menschen in Hongkong vor allem Rechtsstaatlichkeit, Wahrung der Menschenrechte, Autonomie der Justiz, sowie wirtschaftlichen Wohlstand garantiere. „Frankreich bekennt sich nachdrücklich zur uneingeschränkten Einhaltung all dieser Grundsätze“, unterstreicht Le Drian in seiner Aussage.
Die öffentliche Unterstützung für die Proteste ist auch in Hongkong trotz der sporadischen Gewalttaten nach wie vor groß: „Viele Menschen entwickeln Sympathien gegenüber den Demonstranten, da sie erkennen, dass die Regierung zu unnachgiebig ist und trotz langanhaltender Proteste – seien sie friedlich oder gewalttätig – nicht auf die Forderungen der Demonstranten reagiert. (…) Die Öffentlichkeit wird den Mob, der die Legislative gestürmt hat vielleicht nicht unterstützen, aber das bedeutet nicht, dass sie die Herangehensweise durch die Regierung von Carrie Lam Cheng Chen Yuet-ngor an das Thema unterstützen“, erklärte Dr. Cheung Chor-yung, ein leitender Dozent am Department of Public Policy der City University der South China Morning Post.