Homöopathie: kleine Dosis, große Diskussion

Homöopathie: kleine Dosis, große Diskussion

(Bild: CC0 Creative Commons, pixabay.com)

Die Medizinische Universität Wien streicht das Fach Homöopathie mitten im laufenden Semster. Patientenanwältin Dr. phil Sigrid Pilz spricht sich für ein Verkaufsverbot in Apotheken aus, während die Medizinische Universität Linz im Wintersemester 2018/2019 auf Wunsch der Studierenden erstmals eine eigene Vorlesung dafür einführt. Kaum ein Thema in medzinischen Kreisen polarisiert in Österreich so sehr, als der Umgang mit homöopathischen Praktiken. Was bei dem Streitthema oft zu kurz kommt, ist der Patient. 

Homöopathie polarisiert an medzinischen Hochschulen

Immer wieder werden Diskussionen über sogenannte komplementärmedizinische Wissensvermittlung an Österreichs Hochschulen laut. Nun wurde an der Medizinischen Universität Wien das Wahlfach Homöopathie während des laufenden Wintersemesters 2018/2019 aus dem Lehrplan gestrichen. 

In der offiziellen Stellungnahme von Univ. Prof. Dr. Markus Müller, Rektor der Universität, wird betont, dass an der Hochschule nur „evidenzbasierte Medizin“ vermittelt werde und sich die Universität von der Homöopathie institutionell distanziere: „Die MedUni Wien ist als international sichtbare, österreichische Leitinstitution dem Prinzip der evidenzbasierten Medizin verpflichtet. Patienten sollten daher ausschließlich nachvollziehbare und wissenschaftsbasierte Heilverfahren angeboten werden.“ 

Dieser Grundeinstellung wird auch auf der Medizinischen Universität Graz gefolgt, wo online verlautbart wird, dass „bis auf weiteres keine Homöopathievorlesung stattfindet“, ebenso wie an der Medizinischen Universität Innsbruck. Klar gegen die Homöopathie positioniert sich auch die Wiener Patientenanwältin Dr. phil. Sigrid Pilz, indem sie sich in einem Interview mit dem Standard (28.11.2018) sogar für ein Verkaufsverbot von Homöopathika in Apotheken ausspricht. 

Ärztekammer-Vizepräsident Dr. med. Johannes Steinhart findet dies unbegründet und argumentiert, die gut ausgebildeten österreichischen Ärzte seien in der Lage zu beurteilen „ob ein Homöopathikum im Rahmen einer Behandlung eine potenitell günstige Rolle spielen kann“ (Interview Kurier 30.11.2018). Gegen ein Verkaufsverbot von Homöopathika spricht sich auch Mag. pharm. Monika Aichberger, Vizepräsidentin der Apothekerkammer Oberösterreich aus. So sagt Mag. pharm. Monika Aichberger in einer Stellungnahme: „Es gibt viele Menschen, die ein Interesse an Homöopathie haben, die sich nicht nur auf Globuli beschränkt, sondern eine komplementärmedizinische Richtung ist, die im Bereich der Selbstmedikation einen hohen Stellenwert hat.“

Während Grundwissensvermittlung über Homöopathie Teil des Pharmaziestudiums in Österreich ist, bietet auch die Medizinische Universität Linz im Wintersemester 2018/2019 erstmals das Wahlmodul „Komplementärmedizin“ an. Diese Entscheidung argumentiert Univ. Prof. Dr. Andrea Olschewski, Vizerektorin der Medizinischen Universität Linz, wie folgt: “Diese Lehrveranstaltung wurde von unseren Studenten bei einer Bedarfserhebung extrem nachgefragt”. Weiters sagt sie, dass es so den Studenten möglich sei, Einsatzmöglichkeiten kritisch bewerten zu können. Damit entpreche man auch den Ausbildungsrichtungen der Österreichischen Ärztekammer.

Zahlen und Fakten zur Homoöpathie in Österreich

Worin liegen die Gründe für die immer wieder aufflammenden Diskussionen über Homöopathie in Österreich? Einer der springenden Punkte ist: Österreich gehört, gemeinsam mit Deutschland und Frankreich, zu den Spitzenreitern in der Anwendung homöopathischer Arzneimittel. Laut einer Studie (GfK Austria: Homöopathie in Österreich) von 2015 verwenden 50 % der Österreicher ab einem Alter von 15 Jahren zumindest einmal im Jahr ein homöopathisches Mittel. Man kann daher sagen, dass sich Homöopathika in Österreich im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, wie Polen oder Schweden, wo sie gerade einmal von 1 % der Bevölkerung verwendet werden, großer Beliebtheit erfreuen. 

Das Vertrauen in die Praxis wird gestärkt, indem in Österreich Homöopathie ausschließlich von Ärzten ausgeübt werden darf. Das ÖAK-Diplom – komplementäre Medizin für Ärzte umfasst in drei Jahren 350 Stunden aufgeteilt in 200 Stunden Theorie und 150 Stunden Praxis. In österreichischen Apotheken dürfen homöopatische Arzneien von Apothekern nach dem Homöopathischen Arzneibuch, welches rechtsgültig in das Östereichische Arzneibuch aufgenommen wurde, hergestellt, abgegeben und qualitätsgeprüft werden. Der Umsatz der österreischischen Apotheken mit Homoöpathika belief sich 2017 auf 43 Millionen, was allerdings nur 3,6 % des Gesamtumsatztes von rezeptfreien Arzneimitteln ausmacht. 

Im Jahr 2018 gab es österreichweit acht Ambulanzen mit Ärzten, die das benötigte Homöopathie-Diplom aufweisen. Diese agieren vor allem in den Bereichen Onkologie, Gynäkologie und Kinderheilkunde. Insgesamt 748 Mediziner haben österreichweit das benötigte Homöopathie Zusatzdiplom. 

Was ist Homöopathie und was waren die Beweggründe von Samuel Hahnemann?

Homöopathie ist ein Heilkonzept, das der deutsche Mediziner Samuel Hanhemann Ende des 18. Jahrhunderts postulierte. Es wird als ganzheitsmedizinische Methode beschrieben und bezieht neben körperlichen Symptomen auch die seelischen Befindlichkeiten mit ein. Der Patient, sein Verhalten, sowie Interaktionen des Patienten mit der Umwelt werden so genau wie möglich berücksichtigt. 

Weiters gilt Homoöpathie als Regulationstherapie. Das bedeutet, sie nutzt die körpereigene Fähigkeit zur Regulation und Regeneration, indem sie Abwehrkräfte anregen soll. Dazu werden  homöopathische Einzelmittel verwendet. Bei den Einzelmitteln greift man auf die sogenannte „Ähnlichkeitsregel“ (Eine Arnzei heilt jene Beschwerden, die sie selbst am gesunden Menschen hervorrufen kann), sowie dem Potenzieren (Arzneien werden nach streng vorgebenen Verfahren verdünnt, verschüttelt oder verrieben) zurück.  

Anders als die Schulmedizin will die Homöopathie keine Krankheiten behandeln, sondern den kranken Menschen als Gesamtes. Um die Leitgedanken Hahnemanns zu verstehen, ist es notwendig tiefer in seine persönlichen Hintergründe, sowie seine Weltanschauungen zu blicken. 

Hahnemann selbst hat Medizin studiert und auch großes Interesse an Chemie gezeigt. In dem Labor seines Schwiegervaters, einem Apotheker, führte er verschiedene chemische Studien durch und schrieb unter anderem über die Herstellung von Arnzeimitteln und Chemikalien. 

Zudem kritisierte er immer wieder die zeitgenössische Medizin, mit deren Limitierungen er sich immer wieder konfrontiert sah. Er setzte sich das Ziel eine bessere Heilmethode zu finden, als die Schulmedizin, die er anprangerte. Hahnemann war der Überzeugung, ein Arzt müsse verstehen, warum er eine bestimmte Behandlung oder Arznei anwende und nicht nur tun was im Lehrbuch steht, was ihm zur damaligen Zeit – ebenso wie heute – Kritik einbrachte. 

Im Laufe der Jahre fand Hahnemann immer mehr zu einfachen Behandlungsweisen nach den Prinzipien von Hippokrates, der als berühmtester Arzt des Altertums gilt. Zugleich bewunderte er laut eigenem Zitat die „göttliche Weisheit“ von Konfuzius und beschäftigte sich auch mit Elementen der traditionellen chinesischen Medizin. Er versuchte weitgehend mit den Selbstheilungskräften der Natur zu arbeiten und so wenig wie möglich auf Medikamente zurückzugreifen. Er orientierte sich an einem Modell der „Lebenskraft“ (vis vitalis) und wollte durch homöopatische Zubereitungen geistige Kräfte freisetzten, die sich positiv auf diese Lebenskraft auswirken. 

Samuel Hahnmann selbst, der in der Zeit nach der Veröffentlichung von „Organon der rationellen Heilkunst“ im Jahre 1810 zu immer mehr und berühmteren Patienten gerufen wurde, sah seine Erfolge bescheiden und weist Patienten darauf hin nicht ihm, sondern Gott zu danken, da er seine Therapieerfolge stets als „Heilungen, welche mir durch die Gnade Gottes gelungen sind“ anerkennt. 

Kritik, Befürwortung und die Frage: was erwarten sich die Patienten?

Im Rahmen der derzeit geltenden Kriterien für wissenschaftliche klinische Studien, konnten bislang keine Beweise erbracht werden, dass Homöopathie besser wirke, als Placebo-Medikamente. Es gibt auch vereinzelt Studien, die homöopathische Wirkungen über den Placeboeffekt hinaus beschreiben, diese wurden in der Vergangenheit aber meist aufgrund des Studiendesigns immer wieder angeprangert. So war unter anderem die Teilnehmerzahl zu klein, die Studie nicht doppelt verblindet oder die Reproduzierbarkeit nicht ausreichend. 

Von Homöopathie befürwortender Seite wird hingegegen argumentiert, dass die Richtlinien für wissenschaftliche Studien für Konzepte wie Homöopathie und andere komplementärmedizinische Praktiken nicht gut geeignet wären. Dabei werde jeder Mensch als individuelle Einheit von Leib, Seele und Geist angesehen. Für die Erstgespräche wird viel Zeit in Anspruch genommen, wo dem Patienten klar sein soll, was gemacht wird und zudem sollen die Patient dazu beitragen ihre Selbstheilungskräfte zu aktivieren. 

K.S. Srinivasan, Editor von „Homoepathy in the Modern Medicine“ sagte 2007: „Ich bin es müde, immer wieder neue Beweise für die Wirksamkeit der Homöopathie zu finden, wenn wir den eindeutigen Beweis, den geheilten Patient, mit eigenen Augen sehen. Das wäre so, als ob jemand einen Arzt riefe, um zu attestieren, dass ich lebe, wenn ich doch selbst lebendig vor ihm stehe.“

Dieses scheint auch für jeden zweiten Österreicher, der zumindest einmal im Jahr zu einer homöopathischen Arznei greift, ein überzeugendes Argument zu sein. Die Statistik zeigt, dass Österreichs Patienten Homöopathische Arzneimittel schätzen und regelmäßig auf diese zurückgreifen. Dies macht den Entschluss der Medizinischen Universitäten Wien und Innsbruck, die Lehrveranstaltungen zu einem Thema zu streichen, mit dem die angehenden österreichischen Ärzte früher oder später in ihrem Beruf konfrontiert werden und Patienten bestmöglichst beraten sollten, fragwürdig.

Wenn Univ. Prof. Dr. Markus Müller, Rektor der Medizinischen Universität Wien von„evidenzbasierter Medizin“ spricht, darf man auch nicht ganz außer Acht lassen, dass man dabei auch immer die Grenzen unserer heutigen Wissenschaft miteinbezieht. Angesichts dieser Grenzen sollte die Bescheidenheit nicht ganz außer Acht gelassen werden, die früher im traditionellen Heilberuf als Tugend galt. Eine Bescheidenheit, die auch Hahnemann an seinem Sterbebett zum Ausdruck brachte: Auf die Aussage seiner Frau, die Vorsehung sei ihm eigentlich eine Ersparnis seines Leides schuldig, weil er in seinem Leben so vielen anderen geholfen hat, deren Leiden zu lindern und auch so manche Anfeindungen ertragen musste, antwortete er folgendes:

„Mir? Warum denn mir? Jeder auf dieser Welt wirkt nach den Gaben und Kräften, die er von der göttlichen Vorsehung empfangen hat und findet ein Mehr oder Weniger vor dem Richterstuhl der Menschen, nicht aber vor dem von Gott; die Vorsehung ist mir nichts, ich bin ihr viel, ja Alles schuldig!“

weitere Quellen und Studienverweise:

https://igepha.at/website2015/wp-content/uploads/Jahresbericht_2017_Kern_WEB.pdf

Österreichische Gesellschaft für Homöopathische Medizin  http://www.homoeopathie.at/

https://www.homoeopathie-verstehen.at/

http://silkekoch.at/hahnemann.pdf

https://epub.ub.uni-muenchen.de/20858/1/20858.pdf(Buch Homöopathie Wegweiser, Deutscher Zentralverein Homöopathischer Ärzte)

Wissenschaftliche Studien Homöopathie:

Shang A, Huwiler-Müntener K, Nartey L, Jüni P, Dörig S, Sterne JA, Pewsner D,
Egger M. Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? Comparative study of placebo-controlled trials of homoeopathy and allopathy. Lancet. 2005 Aug 27-Sep 2;366(9487):726-32. 

Mathie, R. T., et al. (2014). Randomised placebo-controlled trials of individualised homeopathic treatment: systematic review and meta-analysis. Syst Rev 3: 142.

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