
„Die Beschäftigung mit Kunstformen kann die Gesundheit der Patienten verbessern und die Kosten senken”, so der britische Gesundheitsminister Matt Hancock zu seiner Kampagne der sozialen Verschreibung, die bis 2023 in ganz Großbritannien gestartet werden soll.
Stellen Sie sich vor, Sie bekommen bei einem Arztbesuch zu den üblichen Medikamenten auch eine Überweisung für eine Musik-, Tanz-, oder Malklasse verschrieben.
Wie die Washingtonpost berichtet könnt dies in Großbritannien bald Wirklichkeit sein. Der britische Gesundheitsminister Matt Hancock stellte kürzlich eine neue Initiative vor, welche den Ärzten die Möglichkeit geben könnte, therapeutische, kunst- oder hobbybasierte Behandlungen für Krankheiten von Demenz bis Psychose, aber auch Lungenerkrankungen und zahlreiche Formen von psychischen Erkrankungen zu verschreiben.
Hancock beschrieb ein Projekt in Hull, England, bei dem das Royal Philharmonic Orchestra mit Menschen zusammenarbeitete, die einen Schlaganfall überlebt hatten. Er erläuterte laut Washingtonpost, dass “durch das Erlernen von Instrumenten, das Dirigieren des Orchesters und schließlich als Teil eines Orchesters auftreten zu dürfen, fast 90 % der Schlaganfallpatienten von merkbaren körperlichen und psychischen Verbesserungen sprachen. Also weniger Schwindelanfälle, weniger epileptische Anfälle, weniger Angst, verbesserter Schlaf, verbesserte Konzentration und ein verbessertes Gedächtnis”.

Der Gesundheitsminister nannte auch ein weiteres Programm in Lambeth, einem Bezirk in London, bei dem Tanzstunden zur frühzeitlichen Behandlung von Psychosen eingesetzt wurden. Diese therapeutische Maßnahme zeigte großen Erfolg und führte zu einer deutlichen Verbesserung der Konzentrations- und Kommunikationsfähigkeiten der Betroffenen. In Gloucestershire, im Südwesten Englands, haben Krankenhäuser begonnen, Menschen mit Lungenerkrankungen auf Gesangsstunden zu verweisen.
Die soziale Verschreibung (“social prescribing”) wie Hancock es nennt, kann für Patienten die gleichen, vielleicht sogar bessere Ergebnisse bringen als traditionelle Medikamente. Dabei kann sie der Regierung helfen, Geld zu sparen, sagte der Minister, “weil viele dieser sozialen Heilmittel entweder kostenlos oder billiger sind”.
Ein Vorreiter für diese ganzheitlichere medizinische Versorgung ist ein bereits gestartetes Programm in Kanada: Seit November 2018 hat jedes Mitglied der Ärztevereinigung Médecins francophones du Canada (MdFC) in Montreal, die Möglichkeit, 50 Verordnungen auszustellen, die es Patienten mit einer Begleitperson ermöglichen, das Montreal Museum of Fine Arts in Quebec kostenlos zu besuchen, so ein Bericht der Montral Gazette. Wie MdFC-Vizepräsidentin Hélène Boyer Kelly erzählt, baut die Initiative auf Untersuchungen auf, die aufzeigen, dass Museumsbesuche den Serotoninspiegel erhöhen und zu einer schnelle Stimmungsaufhellung führen.

Im Vergleich zur kanadischen Kampagne, die sich derzeit lediglich auf Museumsbesuche beschränkt, soll die britische Initiative mehrere Lebensbereiche umfassen: von sozialen Aktivitäten wie Kochunterricht und Gartenarbeit bis hin zu kulturell orientierten Unternehmungen, wie Bibliotheksbesuchen und Konzerten. Auch das aktive Singen im Chor und das Musizieren soll ein wichtiger Bestandteil werden.
Ein zentrales Thema für eine erfolgreiche flächendeckende Umsetzung wäre aber ein nachhaltiges Finanzierungsmodell zur Unterstützung lokaler Dienste, betont Paul Farmer, Chief Executive der gemeinnützigen Organisation Mind, in seinem Gespräch mit BBC News. Mark Rowland, Geschäftsführer der Mental Health Foundation, fügt hinzu, dass die Zugänglichkeit ein weiteres Hindernis sein könnte: „Unser Anliegen ist es aufzuzeigen, dass die Möglichkeiten sozialer Verschreibung von Musik, Kunst und Freiwilligenarbeit derzeit eben nicht von den Ärmsten in unserer Gemeinde genutzt werden”, sagt er. “Wenn wir einen Fortschritt in der Prävention und Genesung machen wollen, muss die Regierung zeigen, wie sie die am stärksten gefährdeten Menschen erreichen kann.”

Die Idee der Kunsttherapie ist keine neue Erfindung. Kunst in der Medizin wurde in den 90er Jahren als eigenes Fachgebiet gegründet. Studien haben gezeigt, dass die Verordnung von Kunst die Gesundheit älterer Menschen mit Demenz, von Kindern mit Asthma und von Patienten mit hämatologischen Malignomen und anderen Krankheiten verbessert.
“Wir sollten die Kunst schätzen, weil sie für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden unerlässlich ist”, meinte Hancock. “Der Zugang zur Kunst verbessert die geistige und körperliche Gesundheit der Menschen. Es macht uns glücklicher und gesünder.”
Nach dem jüngsten Entwurf der Regierung für ihre “Einsamkeitsstrategie” wird erwartet, dass bis 2023 in ganz Großbritannien Sozialverschreibungen möglich sein werden.
Siehe auch: https://nspirement.de/musiktherapie-die-auswirkungen-der-musik-auf-koerper-und-geist/