
Die verheerende Luftverschmutzung in den Großstädten Chinas öffnete kürzlich eine skurrile Marktlücke: reine Luft abgefüllt in Flaschen oder Dosen mit inkludierter Atemmaske. Nach dem kanadischen Unternehmen „Vitality Air“, das Luft von den Rocky Mountains anbietet, zieht nun der Australier Joe Ducheria mit der Marke „Ozi Air“ nach und verkauft ab dem Jahr 2019 reine Luft direkt aus dem Outback Australiens nach China.
Der Grundstein für die skurrile Geschäftsidee wurde im Jahr 2013 gelegt und begann eigentlich als Scherz. Eine Gruppe von Kanadiern bot Beutel mit Luft für weniger als 99 Cent auf der Internetplattform eBay an. Der zweite Beutel Luft wurde jedoch bereits für 160 $ gekauft. Das ließ die Gruppe erkennen, dass der Markt für reine Luft in Städten mit starker Luftverschmutzung, wesentlich größer ist als angenommen und so gründeten sie im Jahr 2014 das Start-up Vitality Air.
“Unsere erste Lieferung mit 500 Flaschen frischer Luft war in China innerhalb von vier Tagen ausverkauft.“, erzählt der Mitbegründer und CEO von Vitaly Air, Moses Lam in einem Interview mit The Telegraph. Die darauffolgende Lieferung, bestehend aus 4000 Flaschen, wurde großteils bereits vor dem Verkauf reserviert.
Für knapp 8 Liter Luft oder umgerechnet 200 Atemzüge, werden in China je nach Qualität und Zusammensetzung bis zu 95 Euro pro Flasche bezahlt. Eine „Standardflasche Atemluft“ aus den Rocky Mountains kann für ungefähr 100 Yuan (ca. 13 Euro) erworben werden, was in China immerhin 50 mal teurer ist, als der Preis für eine Flasche Mineralwasser.
In diesem aufstrebenden Markt hat sich nun auch der Australier Joe Ducheria angesiedelt. Er bietet unter dem Handelsnamen Ozi Air für 17 $ (knapp 15 Euro) eine Flasche und für 128 $ (113 Euro) eine Großpackung mit zwölf Flaschen reinster Luft aus dem Outback von Australien an. Eine Flasche mit inkludierter Maske ermöglicht 140 – 160 Atemzüge, was ein Durchatmen von ungefähr 10 Minuten ermöglicht.
Joe Ducheria ist besonders stolz darauf, dass sowohl das Behältnis als auch die inkludierte Atemmaske aus recyclebarem Material hergestellt und vollständig in Australien produziert ist. „Wir messen die Luftqualität um sicherzustellen, dass wir so reine Luft wie möglich bekommen.“, versichert er zudem in einem Interview mit News Limited. Den genauen Ort der Luftgewinnung, der für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist, behält Joe Ducheria aber als Geheimnis für sich.
Das Einatmen von Ozi Air wird auf der Firmenwebsite als förderlich für Konzentration, Leistungsfähigkeit und Gesundheit beworben. Ozi Air soll unterstützend gegen Depressionen und Migräne helfen, das Immunsystem stärken und wird unter anderem beim Sport oder in der Schwangerschaft in Gebieten mit starker Luftverschmutzung empfohlen.

Einem Land bleibt die Luft weg
Es wird geschätzt, dass jedes Jahr 7 Millionen Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung sterben, davon fast 60% in asiatischen Regionen. Betroffen sind neben Indien vor allem Großsstädte in China, unter anderem in den Provinzen Hebei, Shanxi, Henan und Shandong und insgesamt 28 Städten, zu denen auch die Hauptstadt Peking zählt.
Laut Luftqualitätsindex (AQI Air Qualitäy Index, einer Plattform, auf der die Luftqualität weltweit in Echtzeit erfasst wird) werden Werte zwischen 0 – 50 als „risikofrei“ eingestuft. So gibt es zurzeit in Österreich zum Beispiel keine einzige Messstation die einen höheren Wert als 50 anzeigt. Werte zwischen 51 – 100 gelten als akzeptabel, wobei für sehr empfindliche Personengruppen bereits Gesundheitsbedenken entstehen können. Werte in diesem Bereich werden in einigen größeren Industriestädten in Deutschland oder Tschechien zeitweise gemessen. Ein Luftqualitätsindex über 150 gilt als „ungesund“ für alle Personengruppen. Werte in diesem Bereich sind in China in vielen Städten an der Tagesordung.
Ab einem Luftqualitätsindex von 300 wird von „Gesundheitsalarm“ gesprochen, der mit ernsten gesundheitlichen Auswirkungen auf die Menschen, die eine derartige Luft einatmen, einhergeht. In China wurden zeitweise bereits Werte über 600 (!) gemessen.
Die Maßnahmen der chinesischen Regierung
Der wirtschaftliche Aufschwung Chinas unter der kommunistischen Regierung hatte einen hohen Preis. Im Winter 2012 wurden weite Teile Nord- und Zentralchinas von lange anhaltendem Smog geplagt. In Peking wurde zu dieser Zeit eine Feinstoffkonzentration von bis zu 1000 Mikrogramm pro Kubikmeter gemessen. Laut WHO sind jedoch nur bis zu 30 Mikrogramm unbedenklich. Hunderte Millionen von Chinesen sind durch die verheerende Luftverschmutzung betroffen. Laut einer Studie in der Fachzeitschrift „Lancet“, konnten 1,8 Millionen frühzeitige Todesfälle in China auf die Belastung der Luft zurückgeführt werden.
Um die wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung, anbetrachts der gefährlichen Situation zu beruhigen, erließ die chinesische Führung im Jahr 2013 einen nationalen Aktionsplan, um die Luftverschmutzung einzudämmen.
Dieser Plan beinhaltete unter anderem, dass hunderttausende chinesische Arbeiter von Fabriken, die zur Luftverschmutzung beitrugen, unbezahlten Zwangsurlaub in den Wintermonaten von November bis März antreten mussten. Diese Aktion wurde vor allem von der Umweltorganisation Greenpeace scharf kritisiert und es wurde nahegelegt, die Arbeiter, anstelle sie ohne Lohn nach Hause zu schicken, besser in umweltfreundlichere und energiesparende Umrüstung zu beschäftigen.
Die chinesische Regierung ließ sich jedoch nicht wirklich belehren. Während durch den rigorosen Aktionsplan für ein paar Jahre bessere Luftwerte erreicht werden konnte, verschlechterten sich die Werte ab dem Jahr 2018 wieder massiv. Greenpeace-Forscher Lauri Myllyvirta führt diese Entwicklung auf vermehrte Emissionen zurück – ausgelöst durch neue Infrastruktur und Bauprojekte, um die chinesische Wirtschaft, die auch aufgrund des Aktionsplans gegen die Luftverschmutzung belastet war, wieder anzukurbeln. Auswirkungen auf den chinesischen Markt und die Gesundheit der Bevölkerung durch diese neuerliche Wirtschaftswende, werden sich in der Zukunft zeigen. Der Markt für frische Luft in Flaschen boomt jedenfalls in den Großstädten Chinas, wo Atemluft für die Bevölkerung zu einem Luxusgut wird.
Wie viel kann Atemluft wert sein?

Reine Luft ist in vielen Städten Chinas, die unter lebensbedrohlicher Luftverschmutzung leiden, wirklich ein Luxusgut. Die Firma Vitality Air unterstreicht dies mit einer „Limited Edition“, bestehend aus einer 8 Liter-Flasche Atemluft besetzt mit 0,3 Karat Diamanten, die man zurzeit zum reduzierten Preis von 9.500 $ (knapp 8.500 Euro) erwerben kann. Dasselbe Modell gibt es auf der Firmenwebseite zudem noch inklusive Unterschrift des Rappers „2chainz“ um unglaubliche 18.500 $ (knapp 16.500 Euro). Da bleibt einem auch in von Luftverschmutzung verschonten Gebieten beinahe die gratis, aber doch unbezahlbare Luft weg.