
Das Wort „Nano“ kommt aus dem altgriechischen und bedeutet „Zwerg“. Dies legt schon die Vermutung nahe, dass es sich um etwas Kleines handelt. Wie klein, stößt jedoch an die Grenzen der menschlichen Vorstellungskraft. Ein Nanometer entspricht 10-9 Meter, also einem millionstel Teil eines Millimeters. Zum Vergleich: Wenn ein Teilchen einen Nanometer groß wäre und daneben würde ein einzelnes Sandkorn liegen, wäre der Größenunterschied ungefähr so, wie das Sandkorn zu unserem Planeten Erde.
Als Wissenschaftler 1981 zum ersten Mal mit einem Rastertunnelmikroskop hinter die Kulissen der „Mikrowelt“ (entspricht dem Maßstab 10-6, also 1000fach größer als die Nanowelt) blicken konnten, erkannten sie eine neue Dimension des unvorstellbar „Kleinen“ voller neuer Möglichkeiten und neuer Fragen. Eigentlich hätte dieser Moment die Ansichten der heutigen Wissenschaft vollständig verändern müssen, denn die Dimension der Nanowelt stellt vieles auf den Kopf und scheint von den definierten Gesetzen der heute bekannten Wissenschaft gänzlich wenig zu halten. Zum Beispiel leiten in der Nanowelt Isolatoren plötzlich Strom, wärmestabile Substanzen verbrennen auf einmal oder Materialbarrieren, die im Mikromaßstab undurchdringlich scheinen, können durchdrungen werden.
Die Faszination dieser Veränderungen hat weltweit groß angelegte Forschungsprojekte mit hohen finanziellen Förderungen hervorgerufen. Während man auf der einen Seite noch versucht, die Phänomene der Nanowelt zu verstehen und vorhersagen zu können, wurden in den letzten Jahren bereits gezielt Nano-Anwendungen hergestellt und eingesetzt. Dazu gehören Medikamente (z.B. Nano-Eisenoxidpartikel in der Krebstherapie), Lebensmittelzusätze (z.B. der Naturfarbstoff Beta-Carotin), schmutzabweisende Oberflächen oder Hochleistungs-Computerchips. Oftmals fehlen für hergestellte Nanotechnologien derzeit jedoch geeignete Analysemethoden für Qualität und Risikoabschätzung. Der themenbezogene Bericht der Max-Planck-Forschungsgesellschaft fasst diese Thematik wie folgt zusammen: „Zahlreiche Wege führen in die Nanowelt, und keinen davon sind wir heute schon ganz zu Ende gegangen. […] Denn was nutzen die winzigen Maschinen, wenn wir sie nicht genau steuern können? Die Nanotechnik der Zukunft hält sicher manche Überraschung bereit, denn (in der Größenskala) ganz unten ist noch eine Menge Platz.“
Nanotechnologie der Natur

Während die Menschen gerade erst beginnen den Nanobereich zu verstehen, ist die Natur uns – wie üblich – schon einen großen Schritt voraus. Viele besondere Phänomene beruhen auf Nanoeffekten. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Lotusblume, die als Symbol der Schönheit und Reinheit gilt, da sie aus dem Schlamm wächst, dabei aber makellos sauber bleibt. Die Blätter der Lotusblume sind mit Nanokristallen übersäht, wodurch die Kontaktoberfläche zwischen Schmutztropfen und Blatt dermaßen verkleinert ist, dass jeder Tropfen daran abperlt.
Diese Erkenntnis war die Grundlage für die Entwicklung von Scheiben oder Dachziegeln, die nicht mehr geputzt werden müssen oder Anstrichfarben, die Hauswände sauber halten können. Ähnliche Nanoeffekte sind auch dafür verantwortlich, dass Geckos über Wände laufen können oder Muscheln eine derart harte Schale haben, dass sie vor ihren Fressfeinden sicher sind.
Mythen der Nanotechnolgie

Als ob der Teil der Nanowelt, der seit den 1980er Jahren erforscht wird, der heutigen Wissenschaft nicht schon genügend Rätsel aufgibt, werfen alte Funde noch größere Fragen auf.
Das bekannteste Beispiel dazu ist, der Lycurgus-Becher, der im British Museum in London bewundert werden kann. Dieser antike römische Becher wurde vermutlich im 4. Jahrhundert nach Christus in Alexandria gefertigt. Er zeigt die Geschichte des Königs Lycurgus, der die Anhänger des Gottes Dyonisos verfolgte und dafür von den Göttern als Strafe in den Wahnsinn getrieben wurde. So tötete er unter anderem seinen eigenen Sohn, weil er ihn für eine Weinrebe (das Symbol des Gottes Dyonisos) hielt, die er zerstören wollte.
Abgesehen von der hohen künstlerischen Leistung der Verzierungen dieses Bechers, ist das Besondere, dass er seine Farbe, je nach Lichteinstrahlung von grün zu rot wechselt. Untersuchungen des Bechers, die in dem Fachbuch „Carbon Nanotube Reinforced Composites” 2015 zusammengefasst wurden, zeigen, dass in die Glasoberfläche des Lycurgus-Bechers Nanopartikel aus Gold und Silber eingearbeitet sind, die diese Farbeffekte auslösen.
Während Wissenschaftler anzweifeln, dass es in der Antike soweit fortgeschrittenes Wissen über die Nanobereiche gegeben haben könnte und glauben, dass dieser Effekt ohne Absicht erzielt wurde, kann nicht ignoriert werden, dass die Partikel einen gleichmäßigen Größenbereich von ca. 70 nm aufweisen. Gleichmäßige Partikel auf Nanoskala herzustellen, ist aber, wie noch heute, eine große Herausforderung. Weiterführende Untersuchungen des Bechers wurden jedoch untersagt. Tiefergehende Analysenmethoden, die Aufschluss über den Herstellungsprozess geben könnten, würden das Material zerstören und den zurzeit einzigen bekannten antiken Becher dieser Art ruinieren.
Weitere Beispiele antiker Nanotechnologie sind Stahlschwerte aus Damaskus (300 n.Chr.), die für ihre besonders scharfen Kanten und ihre Leichtigkeit bekannt waren. Auch hier zeigten Untersuchungen, dass die verbesserten Materialeigenschaften auf Nanogebilden, sogenannten „Kohlenstoffnanoröhrchen“ beruhen. Heute arbeitet man daran, diese Technologie unter anderem für den Flugzeugbau einsetzten zu können.
Und wie geht es weiter?
Die Dimension der Nanowelt bringt viele faszinierende Erscheinungen mit sich und wirft ebenso viele bis dato ungeklärte Fragen auf. Mit diesen beschäftigt sich die heutige Wissenschaft intensiv und man verspricht sich von deren Antworten viele neue Errungenschaften. Aber man soll sich nicht verleiten lassen, zu denken, dass man durch die Klärung aller Fragen des Nanobereichs, am Ende des Rätsels angelangt wäre. Die Nanowelt gilt als die Dimension der Atome (4 Metallatome nebeneinander enstprechen 1 Nanometer). Es ist aber bereits erkannt worden, dass Atome aus noch kleineren Teilchen aufgebaut sind, die sich im Picobereich (10-12), also noch 1000mal kleiner als der Nanobereich, bewegen. Zurück zum Anfangsvergleich: Wenn ein Teilchen einen Picometer groß wäre und ein Nanopartikel danebenliegen würde, wäre das Größenverhältnis, so wie das eines Sandkorns zu einem ausgewachsenen Menschen. Von den Geheimnissen, die uns jedoch dort erwarten, ist die Menschheit noch ein paar, zurzeit unüberwindbare Größenordnungen, entfernt.