Die Heilkraft traditioneller Hausmittel – Der Wickel/Teil2

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Die Heilkraft traditioneller Hausmittel – Der Wickel/Teil2

Viele kennen den Wadenwickel zur sanften Senkung der Körpertemperatur bei Fieber. (Bild: 62225094(© Moving Moment – stock.adobe.com))

Wickel und Kompressen zählen zu der anthroposophischen Medizin, welche vom österreichischen Philosophen Rudolf Steiner (1865-1925) und der Schulmedizinerin Ita Wegmann entwickelt wurde.
Steiner meinte, dass auch die spirituelle Welt ihre Gesetzmäßigkeiten habe, die sich systematisch erforschen lassen: “Unter Anthroposophie verstehe ich die wissenschaftliche Erforschung der geistigen Welt, welche die Einseitigkeit einer bloßen Naturerkenntnis ebenso wie diejenige der gewöhnlichen Mystik durchschaut…” Die ursächlichen Gründe einer Krankheit liegen nach anthroposophischer Ansicht tiefer als die Erscheinung an der Oberfläche vermuten lässt “Die Krankheit des Menschen ist nicht, was sie scheint, ein Maschinendefekt – sie ist nichts als er selbst, besser: eine Gelegenheit, er selbst zu werden.” Demnach seien Krankheiten eine Chance zur Weiterentwicklung auf körperlicher, geistiger und auf psychischer Ebene. Im Fokus steht die Autonomie und Würde des Patienten und sie Unterstützung zur Selbsthilfe. 

Wickel und Kompressen können den natürlichen Umgang mit physischen Erkrankungen unterstützen, jedoch könnten sie ihre Grenzen je nach Intensität der Krankheit aufzeigen. Daher ist eine Absprache mit einem Arzt empfehlenswert. 

Hier ein kleiner Überblick der wichtigsten Wickelanwendungen:

Wirkungsweisen von Wickel und Kompressen

Bitte lassen Sie sich von der Vielfalt des Einsatzes nicht abschrecken. Die Menschheit wickelt schon Jahrtausendelang. Grundsätzlich kann für den heimischen Gebrauchgesagt werden: „was guttut, wird selten schaden“. Das Wirkungsspektrum ergibt sich aus thermischen Einflüssen. 

Jede der folgenden Anwendungen regt die Ausscheidungsfunktionder Haut an, sie wirken auf diese auch beruhigend und entspannend. Spezielle Zusätze wie Tees, Salben oder ätherische Öle intensivieren die Wirkung. Wickel und Kompressen wirken sowohl auf körperlicher Ebene als auch auf emotionaler, wie auch in den seelischen Bereichen. Wickel vermitteln Geborgenheit, Sicherheit und lassen einen zur Ruhe kommen.

Heiße Wickel sollten so warm wie möglich aufgelegt werden. Daher eignen sie sich nicht für kreislaufinstabile Menschen, kleine Kinder, Menschen mit Gefühlsstörungen oder für gelähmte Körperteile. 

Ein heißer Wickel wirkt wärmestauend, jedoch bei längerer Anwendung kann er zu einem schweißtreibenden Medium werden. Er eignet sich bei allen chronisch-degenerativen Prozessen wie chronisch-rheumatischen Erkrankungen, bei Arthrose, aber auch zur Entspannung.Wärme wirkt entspannend auf die Muskulatur und verringert Schmerzreize. Zusätzlich regt die Wärme den Schadstoffabtransport an und verbessert dieNährstoffversorgung des Areals. 

Das Kneipp Haus in Bad Wörishofen empfiehlt die Anwendung auch bei Erkrankungen des Bewegungsapparats, Bandscheibenschäden, statisch bedingten Kopfschmerzen, Hexenschuss, Neuralgien des Amres u.a., Koliken im Bereich des Darms, der Galle, der Niere, chronischen Bronchitiden, Asthma bronchiale (nicht während des Anfalls) und chronischen Entzündungen der Unterleibsorgane.

Wärme bewirkt eine vermehrte Durchblutung, daher werden heiße Wickel auch bei Störungen der Blutzirkulation angewendet. Die Verweildauer des Wickels ist relativ kurz, sobald er ausgekühlt ist, wird er von der Haut genommen.

Temperierte Wickel mit nur milder Wärmezufuhr sind bei alten Menschen und kleinen Kindern zu bevorzugen, denn sie sind die sanfte Variante der heißen Wickel.

Kälte schließt die Poren und verringert die Durchblutung. Kalte Wickel werden daher bei Schwellungen, Schmerzen oder für einen anregenden Effekt eingesetzt. Oftmals werden diese mit Wasser getränkt, das kälter als die Körpertemperatur ist. Dies bewirkt eine Kühlung der behandelten Region und führt so zu einem Wärmeverlust des Körpers, wodurch wiederum das vegetative Nervensystem aktiviert wird. Diesem wird der Sympathikus zugeordnet, welcher anregend auf den Stoffwechsel wirkt. Das bedeutet für den Körper unter anderem eine Verengung der Blutgefäße und eine Anregung tiefer Atemzüge, welches wieder mit einer Steigerung des Blutdrucks einhergeht.

Je nach Länge der Kälteeinwirkung kann der Wickel das parasympathische System zur Aktivierung oder das sympathische System zur Entspannung beeinflussen. (Bild: iStock)

So lange der Wickel kühler als die Haut ist, ist dieser Vorgang aktiv, normalerweise zehn bis fünfzehn Minuten lang. Danach setzt der Parasympathikus ein, welcher genau die gegenteilige Reaktion verursacht wie sein Kollege der Sympathikus. Durch ihn kommt es zur Entspannung und Weitstellung der Blutgefäße, somit ist verständlich, dass die Wirkung eines kalten Wickels abhängig von der Dauer des Wärmeentzugs ist. Liegen sie kurz an, können sie dem Körper Wärme entziehen und aktivieren. Liegen sie lange an, wirken sie beruhigend auf das vegetative Nervensystem. Daher kann ein Wadenwickel beispielsweise auch am Abend zur Schlafförderung angelegt werden.  

Wie lange und wie oft

Zwei Anwendungen pro Tag, zwischen denen ein paar Stunden Abstand liegen, sind durchaus ausreichend. Es gibt aber auch die Möglichkeit, kleinere Wickel als Serienwickel aufzulegen. Diese werden als wärmeentziehend bei akuten Erkrankungen angewendet. Anschließend sollte man für eine Ruhephase sorgen, das optimiert die Wirkung des Wickels. Die Anwendung sollte nur so lange dauern, wie es dem Patienten angenehm ist. Grundsätzlich ist die Anwendung zu jeder Tageszeit möglich. 

Materialien
Leinen, Baumwolle, Seide oder Wolle sind schon über Genrationen erprobt worden und wurden für empfehlenswert empfunden. Ein Wickel besteht grundsätzlich aus einem Innen- und einem Außentuch, bei Bedarf kann jedoch noch ein Zwischentuch zusätzlich erforderlich werden. Es gibt auch verschiedene Anbieter für den Einkauf von fertigen Sets.  

Wichtig: Stoffe mit chemischen und synthetischen Zusätzen sind ein No-Go! Für feuchte Zusätze wie Quark sind Verbandmull oder Kompressen gut geeignet. Der verwendete Stoff sollte sich angenehm auf der Haut anfühlen.

Die Renaissance des Topfenwickels

Der Topfenwickel wird seit Jahrhunderten als Heilmittel angewendet. Mitunter sind es heute Institutionen wie Rehabilitationszentren und Geburtenstationen (Brustentzündungen), die auf das traditionelle Hausmittel zurückgreifen, denn der Topfenwickel ist unschlagbar bei Entzündungen, Schwellungen und bei Schmerzen. Doch warum? 

Die heutige Wissenschaft weiß darauf die Antwort. Wenn der Topfen mit der Haut in Berührung kommt, werden die darin enthaltenen Milchsäurebakterien aktiv. Sie öffnen zuerst die Hautporen und durch das saure Milieu werden Entzündungsstoffe abgeleitet und im Topfen gespeichert. So wirkt der Wickel abschwellend und schmerzlindernd. Zusätzlich ist der Topfen gut hautverträglich und eignet sich auch für empfindliche Hauttypen.

Wichtig: Der Verzehr der Lebensmittel nach einer Wickelanwendung ist nicht empfohlen!

Weitere Anwendungsarten

Der kalte Halswickel nach Kneipp

Dieser findet seine Anwendung bei Entzündungen im Halsbereich. Die Kälte sorgt dafür, dass die Hitze entzogen wird und reguliert die Zirkulation der Schleimhaut des Kehlkopfes und der Nase. Er wird auch bei leichten Rachenkatarrhen empfohlen, da er eine ableitende, beruhigende und kräftigende Wirkung bei Stauungen im Kopf wie Kehlkopf hervorrufen kann. 

  • Technik: Sie nehmen einen der oben empfohlenen Stoffe, tränken ihn im kalten Wasser und wickeln das feuchte, gut ausgewundene Tuch locker zweimal um den Hals.  Es kann aber auch vorne von Ohr zu Ohr aufgelegt werden. Wichtig dabei ist ihr Wohlbefinden.

Kartoffel-Wickel

  • Kartoffel-Wadenwickel 

Diese Wickelart wird gern bei Muskelschmerzen und Muskelverspannungen verwendet.

  • Kartoffel-Brust-Bauch- oder Nackenwickel

Bei Nackenschmerzen, Husten oder einer Bronchitis hat sich dieser Wickel bewährt. 

  • Technik + Rezept

4 – 5 Kartoffeln kochen und schälen. Die noch heißen Kartoffeln werden in ein Baumwolltuch gelegt, das Tuch wird nun zusammengefaltet und danach werden die Kartoffeln im Tuch zerquetschen. Empfehlenswert ist, die Kartoffeln so heiß wie möglich auf die betroffene Stelle zu legen. Die Kunst hierbei ist, ein gutes Mittelmaß zwischen heiß und zu heiß zu finden. Der Wickel bleibt solange aufliegen, bis er erkaltet ist. 

Bei Husten kann die Wirkungskraft verstärkt werden indem vorher ein Eukalyptusöl aufgetragen wird. Nicht empfehlenswert bei Kindern!    

Ohrenwickel/Säckchen mit Zwiebel

Dieser Wickel wurde schon von Generationen bei Ohrenschmerzen angewendet. Hierzu ist es empfehlenswert Schafschurwolle zu besitzen.

Ein Zwiebelwickel bei Ohrenschmerzen lindert die Entzündung und verringert die Schmerzen. (Bild: iStock)
  • Technik + Rezept

1 Zwiebel wird in ca. 1cm dicke Scheiben geschnitten. Danach wird die Scheiben in ein Stofftaschentuch eingewickelt und mit einem Faden zugebunden. Das Päckchen auf einen Kochtopfdeckel über Wasserdampf leicht erwärmen. Zuerst wird der Beutel auf das Ohr gelegt und danach die Heilwolle darüber gegeben. Anschließend umwickeln sie das Ganze mit einem Tuch. 

Kräuterkissen

Kräuterkissen sind erfolgreiche Hilfen beim Heilungsprozess und werden schon seit langem angewendet. Bekannter sind wohl eher die Dinkel- und Kirschkernkissen, doch auch die Befüllung mit Heilpflanzen kann Wunder wirken. 

Wenn sie an Kopfschmerzen leiden, kann ihnen ein Kissen mit Hopfen, Lavendelblüten und ein paar Tropfen vom Lavendelöl helfen, die überreizten Nerven zu beruhigen und sie in einen erholsamen Schlaf begleiten. 

Die Schafgarbe wurde schon in der Antike als Allheilmittel verehrt und fand auch ihre Anwendung bei depressiver Verstimmung.

Die Brennnessel und Birkenblätter können schmerzenden Gelenken und Gliedern Linderung schenken.

Bei einem Kräuterkissen ist zwar der Aufwand beim Füllen ein wenig größer, doch wenn das Kissen einmal fertig ist, entfaltet dieses beim Dämpfen über dem kochenden Wasser seine Wirkstoffe und kann als Kissen zum Einschlafen verwendet werden. Wenn Sie sich ein wenig Zeit nehmen, um sich mit den Pflanzen bekannt zu machen, könnte es sein, dass Sie die Wunder der Pflanzen am eigenen Leib wahrnehmen können. 

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