
Verglichen mit seiner Zeit im Boxring und dann als Schauspieler und Fernsehstar kam Cesar Santos‘ Berufung als Künstler ganz natürlich.
„Bei allem anderen, das ich tat, gab es in mir einen Konflikt. Doch jedes Mal, wenn ich malte oder zeichnete, waren die Dinge und sogar mein Leben in einem besseren Fluss. Es gab mehr Liebe, die ich auszudrücken vermochte“, sagt der beherzte in Kuba geborene Künstler.
Santos hatte einen Onkel, Santos Serpa, der sein Talent und seine Begeisterung für die Malerei förderte. Als Santos als Jugendlicher die Kunstausstellungen seines Onkels besuchte, fühlte er, dass er seinen Platz in der Welt gefunden hatte. Bald wurden Zeichnen und Malen für ihn meditativ und entwickelten sich zu der Art und Weise die Herausforderungen zu verarbeiten, denen er während seines Aufwachsens in einem rauen Viertel in Kuba gegenüber stand.
Boxen, so dachte Santos‘ Vater, wäre eine gute Möglichkeit für seinen Sohn, sich seinen Herausforderungen zu stellen. Und so nahm Santos den Sport auf, ebenso die Schauspielerei und die Musik. Am meisten sprach ihn allerdings die Kunst mit seiner visuellen Ausdrucksform an.
„Indem ich künstlerisch tätig war, fühlten es die Leute um mich herum. Ihnen gefiel, was ich mit meinen Techniken, meinen Meinungen, meinem Humor oder meinem Sarkasmus ausdrückte. Ich erhielt positive Reaktionen. Das motivierte mich dazu weiter zu malen“, erzählt Santos. „Es gab keine Richtung, die ich einschlagen wollte. Es gab nur das Gefühl von Freiheit und Spaß, das ich beim Malen hatte.“

Von den alten Meistern lernen
Santos hatte das Gefühl, dass etwas während seines Studiums an der New World School of the Arts in Miami, Florida, fehlte. „Als ich zum ersten Mal im zeitgenössischen Kunst-Establishment am College studierte, konzentrierten sich die Dozenten überwiegend auf den konzeptuellen Aspekt von Dingen und die dunkle Seite unseres persönlichen Seins“, meinte er.
Die Angel Academy in Florenz, Italien, offenbarte ihm jedoch eine andere Seite der Kunst. An jenem Ort, welcher einst das pulsierende Epizentrum der Kunstwelt während der italienischen Renaissance war, entwickelte Santos seinen eigenen akribischen Stil. Hierfür verinnerlichte er gewissenhaft die von den alten Meistern erhaltenen und überlieferten akademischen Techniken.

Es waren diejenigen Künstler am bekanntesten, welche die Kunstwelt ihrer Zeit mit ihren eigenen anspruchsvollen Auffassungen bereicherten. Michelangelos Sichtweise zum Beispiel erweiterte die Grenzen der damaligen Bildsprache dermaßen, dass seine Mitmenschen regelrecht erschüttert waren.
Auch Santos verspürt häufig im Leben sowie in seinen künstlerischen Themen den Drang, gegen den Strom zu schwimmen. „Ich liebe es einfach, meine Umgebung zu beobachten und etwas anderes zu präsentieren als das, was sie mir suggeriert. Wenn einer meiner Freunde eine Meinung hat, zeige ich ihm oftmals die Dinge freundlich aus einer anderen Perspektive“, sagt er.
Er glaubt, dass dies eben Teil der Rolle der Kunst in der Gesellschaft sei. Wir müssen für alles was wir tun und sagen die Verantwortung übernehmen. Wenn wir etwas mit unserer eigenen, unverwechselbaren Weise zum Ausdruck bringen, kann es vorkommen, dass andere das nicht akzeptieren und wir von ihnen kritisiert werden. Dies ist jedoch ein Teil der Entwicklung der Kunst.
Santos stellte fest, dass das Pendel in der Welt der Kunst, von wo aus es zur Zeit der italienischen Renaissance war, heutzutage in die andere Richtung geschwungen ist. Damals gab es ein Aufleben von klassischem Wissen und Ästhetik. Momentan wird dem Trend „was immer auch passiert, geschieht halt“ gefolgt, welchem er entgegenzuwirken versucht. Es ist jedoch die Stärke der traditionellen künstlerischen Fähigkeiten, auf denen er aufbaut. Dabei nutzt er die Grundprinzipien der Bildgestaltung, um wie die alten Meister zu malen und einen positiven Einfluss auszuüben.

„Es ist also tatsächlich ein wenig provokant, so zu handeln wie ich. Jetzt altmodisch zu sein, ist provozierend“, sagte er.
Das Nachahmen der alten Meister, glaubt Santos, ist die Grundlage für die Entwicklung von Fertigkeiten in der visuellen Sprache, die für den besseren Ausdruck der eigenen Vision notwendig ist.
„Als Mensch wird man gut in einer Sache, indem man andere imitiert. Man hört den Eltern zu, ahmt sie nach und lernt das Sprechen. Man ahmt nach, wie man geht und tanzt.“ Wenn Menschen angeben etwas wirklich gut zu können, so haben sie diese Fähigkeit nur erlernt, indem sie anfangs jemanden anderes kopiert haben, erklärt Santos auf seinem YouTube-Kanal.
Jedoch ist heute das Nachahmen der Meister häufig eine missverstandene und falsch dargestellte Technik, die mit einer Abwertung der Kreativität assoziiert wird.
Vor seiner Erfahrung in Florenz dachte Santos, dass die Malerei zuerst mit der kreativen Idee des Künstlers statt mit einer visuellen Methode begann. Doch heute glaubt er, dass eine geschickte Umsetzung im Zusammenspiel mit einer kreativen Idee es dem Betrachter ermöglicht, sich von der Kunst angezogen zu fühlen und diese auch zu verstehen. „Heutzutage wird man von seinen Mitmenschen geschätzt, wenn man ihnen die Welt aus einem anderen Blickwinkel“, eine neue Denkweise oder etwas, das schön umgesetzt wird, zeigt.

Tatsächlich lernt man durch Nachahmung der alten Meister eine andere Betrachtungsweise. „Das ist der Weg, wie man zu einem besseren Maler wird, weil man die visuelle Welt besser sieht und versteht. Das war das, was ich in Florenz gelernt habe, das so tiefgründig war. Ich lernte, Schatten zu verstehen und dunkle Elemente zu verdichten. Ich betrachtete alles visuell und mit einer Feinsinnigkeit, an die ich nie zuvor gedacht hatte.“
Die Entwicklung der notwendigen Fähigkeiten und Techniken der Kunst ermöglicht es den Künstlern, ein höheres Niveau des Ausdrucks zu erreichen und ihre Visionen viel präziser zu artikulieren.
Sobald die Artikulation der visuellen Sprache einmal beherrscht wird, ergibt sich aus der Einfachheit heraus eine Kraft und Intensität, glaubt Santos. Aufgewachsen ohne Videospiele, ohne Fernseher und sogar ohne sichere Wasserversorgung hat Santos gelernt, die Welt mit einfachen Worten zu verstehen. „Ich lebe seit 20 Jahren hier in Amerika, in der entwickelten Welt und der Zugang zu allem ist zu einfach“, meint er.
„In dieser [übermäßig] entwickelten Welt werden wir mit Informationen überschwemmt, die uns von unseren Zielen ablenken und manchmal die Schönheit der Einfachheit überschatten. In der zeitgenössischen Kunst beispielsweise hat die Philosophie die Macht des visuellen Effekts übernommen. Menschen schauen mehr auf den Status der Künstler oder die Beschreibung eines Kunstwerks, als dass sie direkt auf seine visuelle Kraft und Schönheit reagieren.

„Auf der anderen Seite sind aber auch Künstler, die sich heute für den klassischen Realismus interessieren, übermäßig den Bildern der Vergangenheit ausgesetzt. Sie könnten in Gefahr geraten, sich wiederholende Bilder zu schaffen, und dabei vergessen, dass es in der Kunst darum geht, die Psychologie der Menschen an einen neuen Ort zu bringen.“
Die Weitergabe des Gelernten
Trotz seines Wunsches nach einem einfachen Ansatz erkennt Santos auch den Nutzen, den die Technologie bietet. Die schnell wachsende Nutzung von sozialen Netzwerken hat den Künstlern eine direkte Kommunikation mit der Öffentlichkeit ermöglicht. Etsy, Pinterest, Instagram, Facebook und eine Vielzahl anderer Plattformen haben das Potenzial, Millionen von Menschen mit Künstlern und ihren Visionen zu verknüpfen.
Santos meint, dass diese Plattformen den Künstlern einen Freiraum jenseits der herkömmlichen Vermarktungsoptionen wie Galerien und Kunstausstellungen bieten, welche nur ein kleines Publikum erreichen können. Diese neuen Optionen geben den Künstlern „mehr Raum, um zu zeigen, was sie lieben, weil es draußen unter den Millionen jemanden gibt, der sich für ihre Arbeit interessiert. Das ist die Kraft heute, die wir vor ein paar Jahren noch nicht hatten.”
Santos erstellte einen YouTube-Kanal mit dem Ziel, klassische Kunst den Menschen vorzustellen, die normalerweise keinen Kontakt oder kein Verständnis dafür haben würden. Seine Videos, von denen meist wöchentlich ein neues erscheint, zeigen ihnen nicht nur die Malerei, sondern erforschen auch die Feinheiten und Strukturen der Kommunikation mit der visuellen Sprache. Er möchte auch jüngere Künstler dazu ermutigen, sich nicht von der Kunstfertigkeit der alten Meister einschüchtern zu lassen.
Cesar Santos hat in seiner Karriere als Künstler zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter den ersten Platz in einem Wettbewerb des Metropolitan Museum of Art und den Großen Preis People’s Choice Award in der Academy of Realist Art Boston Figure Painting Competition. Santos ist ein lebender Meister, der in der Galerie des Art Renewal Center vertreten ist.
Der Autor dieses Artikels, Tim Gebhardt, ist selbst Künstler und Lehrer und lebt in Portland, Oregon, USA.
Der Originalartikel ist auf Englisch erschienen: http://www.Nspirement.com/2019/12/27/artist-cesar-santos-relies-on-old-masters-techniques-to-reach-a-higher-level-of-expression.html