
Ende März wurden die Uhren wieder mal um eine Stunde vorgedreht. Über die Sinnhaftigkeit wird jedesmal heftig debattiert. Seit der Online-Umfrage der EU letzten Jahres, bei der sich eine Mehrheit der Teilnehmer für eine Abschaffung der Zeitumstellung ausgesprochen hatte, soll die jährlich Zeitumstellung bald tatsächlich ein Ende finden. Die Diskussionen nehmen noch lange kein Ende, soll doch jedes EU-Land entscheiden, welche Zeit es beibehalten möchte. Vor- und Nachteile der Normalzeit (auch Winterzeit genannt) und Sommerzeit werden gegenübergestellt, ein Flickenteppich wird befürchtet. Dabei wurde in der Geschichte schon sehr oft an der Uhr gedreht und ursprünglich hatte sowieso jeder Ort seine eigene Zeit.
Bis 1860 galt in Deutschland, wie vielerorts die Sonnenzeit. Mittag war dann, wenn am jeweiligen Ort die Sonne am höchsten stand. Der Lauf der Sonne bestimmte die Tageseinteilung. Reisende mussten so etwa alle 18 km die Taschenuhr um eine Minute verstellen. Damals kam aber kaum jemand aus seinem Ort oder näheren Umgebung raus. Die Zeit war wichtig für die persöniche und örtliche Tageseinteilung und musste noch nicht die gesamte Gesellschaft organisieren.
Einführung von Zeitzonen
Durch die fortschreitenden Entwicklungen, vor allem der Eisenbahn, wurden die unterschiedlichen Ortszeiten vermehrt als unpraktisch gesehen.
Die ersten einheitlichen Zeitzonen wurden entlang diverser Eisenbahnstrecken eingeführt und orientierten sich meist an den Zeiten der Hauptstädte. So gab es beispielsweise unter anderem die Genfer, Berliner, Münchner und Prager Zeit. Wenn unterschiedliche Linien an einem Bahnhof zusammentrafen, gab es dort mehrere Zeiten zugleich. Das führte natürlich oft zu Missverständnissen und Chaos. Der Wunsch nach einheitlicheren Zeitzonen wurde größer.
Am 13. Oktober 1884 einigte man sich auf der Internationalen Meridiankonferenz in Washington auf den durch den Londoner Stadtteil Greenwich laufenden Meridian als internationalen Null-Meridian und Bezugs-Meridian für die Weltzeit.

Der Greenwich Meridian diente den Seefahrern bereits seit 1767 als Grundlage für Berechnungen ihrer Koordinationsnetze.
Bis 1928 galt die Greenwich Mean Time (GMT) als Weltzeit, danach wurde sie auf Universal Time (UT) umbenannt und entspricht der mittleren Sonnenzeit am Nullmeridian in Greenwich.
Die 1972 eingeführte Koordinierte Weltzeit (UTC) bedient sich der Zeitmessung mittels Atomuhren und erlaubt somit eine deutlich genauere Zeitangabe. Sie gilt bis heute als einheitliche weltweite Grundlage für die Zeitbestimmung. Von ihr leitet sich auch die Mitteleuropäische Zeit ab, die in den meisten mitteleuropäischen Ländern gilt, indem man eine Stunde (UTC+1) und im Sommer zwei Stunden (UTC+2) dazuzählt.

Zwischen 1947 und 1949 gab es in Deutschland übrigens neben der Sommerzeit auch noch eine Hochsommerzeit, wobei von Mai bis Juni noch eine weitere Stunde vorgedreht wurde.
Eigentlich sollte jede Zeitzone 15 Längengrade abdecken und um eine Stunde von der nächsten Zeitzone abweichen. Die örtliche Uhrzeit sollte der Sonnenzeit dieses Längengrades möglichst nahe kommen. Dies ist aber durch politische und topographische Faktoren nicht immer der Fall. So gilt beispielsweise von Polen bis Spanien nur eine Zeitzone, obwohl es geographisch zwei Zeitzonen sein müssten.
Wenn Staatschefs die Zeit verändern
Manchmal drehen auch Staatschefs nach Lust und Laune an den Uhren. So ließ 1940 der spanische Diktator Francisco Franco die Uhren seines Landes um eine Stunde vorstellen, um sie an die Zeitzone des befreundeten Nazideutschlands anzupassen. Dies wurde bis heute beibehalten, obwohl dadurch die Uhren der wahren Ortszeit bzw. Sonnenzeit um fast zwei Stunden voraus ist. So erreicht die Sonne im an der Westküste Spaniens gelegenen Vigo im Februar erst um 13.49 Uhr ihren Höchststand.

Immense Differenzen zwischen bürgerlicher Zeit und mittlerer Sonnenzeit gibt es in China. Um Einheit zu demonstrieren, schaffte die KP China 1949 die seit 1912 eingeführten fünf Zeitzonen wieder ab. Seitdem gilt in ganz China die Pekinger-Zeit, obwohl zwischen westlicher und östlicher Landesgrenze rund 5200 km liegen. So wird es in manchen Gegenden bis Mitternacht nicht dunkel und morgens geht die Sonne erst um 10.00 Uhr auf.
In der Region Xinjiang gibt es sogar zwei Zeitzonen, dies hat aber politische Ursachen. In dem einen Teil leben die türkischsprechenden Uiguren. Ihre Uhren gehen zwei Stunden hinter den Han Chinesen, die im anderen Teil Xinjiangs leben. Damit lebt die ethnische Minderheit ihren stillen Protest gegen die Unterdrückung durch die Regierung aus und bringt so ihren Wunsch nach Unabhängigkeit zum Ausdruck.
Nicht immer beträgt die Zeitdifferenz zwischen zwei Zeitzonen eine Stunde.
Venezuelas Ex-Präsident Hugo Chávez änderte 2007 einfach die geltende Uhrzeit um 30 Minuten. Offiziell wollte er damit dem Schlafrhythmus der Einwohner entgegenkommen. Manche vermuteten darin eher einen Trotz Akt gegen die USA. Sein Nachfolger Nicolás Maduro machte dies 2016 auch wieder rückgängig.
Reist man von Indien nach Nepal, muss man die Uhr nur um 15 Minuten vorstellen und zwischen Indien und dem Nachbarland Sri Lanka liegt eine halbe Stunde Unterschied.
„Die Zeit ist eine Schneiderei, die auf Änderungen spezialisiert ist.“
Faith Baldwin
Das Dilemma mit der Sommerzeit
Die Sommerzeit wurde vielerorts vorwiegend aus Gründen des Energiesparens eingeführt. Das Tageslicht sollte länger genutzt werden können. Man weiß mittlerweile, dass die Sommerzeit kaum Auswirkung auf den Energieverbrauch hat. Die dennoch vorherrschenden Vor- und Nachteile der Zeitumstellung sorgen weltweit für anhaltende Diskussionen. Die folgenden Beispiele demonstrieren die Uneinigkeiten bei diesem Thema:
Australien hat zum Beispiel fünf Zeitzonen. Bei der Sommerzeit ist man sich landesweit aber nicht einig. So stellen fünf Regionen die Uhren im Sommer um eine Stunde vor und vier Regionen behalten die Standardzeit bei.
In Ägypten wurde die Sommerzeit zwischen 2014 und 2017 von den wechselnden Regierungen zweimal eingeführt und wieder abgeschafft. Dabei schob man 2016 den Beginn der Sommerzeit weit in den Hochsommer, damit es im Fastenmonat Ramadan nicht so lange hell blieb und man früher mit dem Fastenbrechen beginnen konnte.

Die Türkei schaffte 2016 die Winterzeit ab und möchte nun mit der ganzjährigen Sommerzeit das Tageslicht länger nutzen.
Auf den Malediven überlässt man den Hotel-Inseln übrigens freie Hand bei der Zeitwahl. Einige Hotelbetreiber nutzen die Möglichkeit und stellen die Uhren im Vergleich zur Hauptstadt Male gleich um zwei Stunden zurück, damit es für ihre Gäste länger hell bleibt.
Die USA stellt die Uhren bereits zwei Wochen früher auf Sommerzeit als in Europa. Nur im Bundesstaat Arizona und auf Hawaii macht man da nicht mit und belässt die Normalzeit.
Russlands ehemaliger Präsident, Dmitri Medwedew verringerte 2011 die Zeitzonen von elf auf neun und schaffte, aus Sorge um den Biorhythmus, die Zeitumstellung auch gleich ab. Jedoch entschied man sich für die permanente Sommerzeit, welche für viele Gegenden eine große Herausforderung war. Vor allem im Norden und im fernen Osten klagte die Bevölkerung vermehrt über chronische Übermüdung und Depressionen, da es im Winter erst um 10 Uhr hell wurde.
2014 machte der amtierende Präsident Wladimir Putin wieder kehrt. Seitdem gibt es wieder elf Zeitzonen und man wechselte auf die permanente Winterzeit.

Ein Großteil der Bevölkerung soll damit wieder nicht zufrieden sein, da es im Sommer in gewissen Landesteilen bereits gegen 4.00 Uhr Früh hell wird und Abends zu schnell finster. Man verliere dadurch viel Zeit für abendliche Freizeitaktivitäten. Einige Provinzen wechselten daraufhin sogar selbständig in eine andere Zeitzone.
Es ist wie immer eine Kunst, es allen recht zu machen. Vielleicht hat die Zeitumstellung als Kompromisslösung auch ihr Gutes. Dennoch plädieren viele Forscher für ihre Abschaffung und die Einführung der permanenten Winterzeit, da diese der örtlichen Sonnenzeit meist am nächsten kommt.
Mehr zur Debatte der Vor- und Nachteile der Zeitumstellung.