
Es gibt viele berühmte Menschen, die es trotz ihres Handicaps geschafft haben, sich über ihr Handwerk unsterblich zu machen. In der Welt der Musik ist Beethoven ein Name, von dem auch Nicht-Musiker schon gehört haben. Seine Geschichte, wie er seine Taubheit überwand, um ein großer Komponist zu werden, ist inspirierend und eine Erinnerung daran, dass nichts unsere Fähigkeiten und Wünsche behindern kann, außer unsere eigenen Gedanken. Das ägyptische Al Nour Wal Amal-Orchester besteht ausschließlich aus blinden Frauen und ist ebenfalls eine solch inspirierende Gruppe. Wie Beethoven, so ist auch dieses blinde Frauenorchester dabei, die Welt durch ihre Musik und ihre Geschichten zu heilen.
Die Geschichte von Ägyptens blindem Frauenorchester
Al Nour Wal Amal bedeutet ins Englische übersetzt “Licht und Hoffnung” und die Musikerinnen sind wahrlich ein Hoffnungsträger für Menschen mit Sehbehinderungen, insbesondere für Mädchen. Das Institut wurde 1961 auf akademischer Basis von der inzwischen verstorbenen Istiklal Radi gegründet, um blinden Mädchen zu ermöglichen, ihre musikalischen Talente und Fähigkeiten zu entwickeln und um ihnen einen kreativen Weg zu bieten, ihre Gefühle auszudrücken. Der ehemalige Präsident der ägyptischen Akademie der Künste, des Kulturministeriums und frühere Dekan des Kairoer Konservatoriums für Musik, Dr. Samha El Kholy, unterstützte dieses Vorhaben ebenfalls.
Was die Schülerinnen lernen
Das Musikinstitut bietet den studierenden Mädchen die Möglichkeit, einen Doppelabschluss zu erwerben. Vormittags besuchen die Mädchen ein formales Ausbildungsprogramm, nachmittags werden sie in einem ausgewählten Orchesterinstrument unterrichtet. Mit Hilfe qualifizierter und erfahrener Professoren des Kairoer Konservatoriums für Musik, des College of Music Education der Helwan University und des Kairoer Symphonieorchesters werden die Schülerinnen in Harmonielehre, Blindenschrift, Solfége und Gehörbildung unterrichtet.
Eine der schwierigsten Aufgaben für die sehbehinderten Schülerinnen ist es, jedes Musikstück auswendig zu lernen, da das Lesen der Brailleschrift das Spielen des Instruments schwierig, wenn nicht gar unmöglich machen würde. Diese Herausforderung wird von den Schülerinnen letztendlich gemeistert und durch jährliche Prüfungen bestätigt.
COVID-19 und das Orchester blinder Frauen
Die Kammerorchestergruppen bestehen derzeit aus Musikerinnen aus vier Generationen und standen schon in vielen Ländern auf der Bühne, z. B. in Österreich, Kanada, Griechenland, Japan, Großbritannien und Spanien, um nur einige zu nennen. Jede Musikerin hat spezielle Instrumente zum Spielen und Notenblätter in Braille-Schrift, die sie auswendig gelernt hat.
Mit der Ausbreitung des Coronavirus und den darauffolgenden Abriegelungen wurden in Ägypten sehr strenge Vorschriften erlassen und alle kulturellen Aktivitäten abgesagt. Seitdem sind die Musikerinnen auf ihre Wohnräume beschränkt, wo sie zunehmend unruhig werden, da sie ihrer Leidenschaft nicht mehr nachgehen können.

Der Rückschlag durch die abgesagten Auftritte und monatelang nicht proben zu dürfen, verstärkte die ohnehin schon vorhandenen Herausforderungen wie sehbehindert zu sein, Frau zu sein und aus einem konservativen Land zu kommen. Dennoch lehrten uns diese Musikerinnen den Wert von Ausdauer und Hingabe, als sie kürzlich im Manasterly Palace in Kairo mit nur drei Wochen Übung eine makellose Aufführung ablieferten.
Die Gruppe und ihr Dirigent (der keine Sehbehinderung hat) trafen alle notwendigen Vorsichtsmaßnahmen wie Desinfektion, Einhaltung der Abstandsregeln und das Tragen von Masken. Mit einem vielfältigen Repertoire an sowohl westlich-klassischer als auch orientalischer Musik bereitet es Freude, sie spielen zu hören. Dabei wird einem klar, dass Musik und Kunst wirklich Grenzen und physische Aspekte wie Sehen und Hören überwinden kann.
Mehr Infos auf: http://alnourwalamalorchestra.com/?page_id=2430